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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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er so fest und
in sich ruhend gewirkt, dass er ihr wie ihr persönlicher Anker
in der Welt ringsum vorgekommen war, aber jetzt war alles in Fluss
geraten. Während sich in ihrem Kopf alles drehte und ihr Magen
rebellierte, stolperte sie zur Seitentür. Ihre rechte Hand
pochte vor Schmerzen. Svengali? Was hat der denn hier zu suchen
gehabt? Noch ein kurzer Gang, eine offene Tür, und sie war
draußen, schwankte und stolperte über den Rasen hinter der
Botschaft. Gegen das gleißende Flutlicht zeichneten sich scharf
die Silhouetten eines Schwarms von Polizisten ab, die wie
aufgescheuchte Hornissen im Gelände herumschwirrten. Sven?, dachte sie wieder.
    Als sie stolpernd um die Ecke des Gebäudes bog, trat ihr eine
Frau in den Weg. »Sie können hier nicht…«
    »Mein Freund!«, keuchte sie und drängte sich an der
Frau vorbei. Aus irgendeinem Grund hielt niemand sie zurück.
Angestrahlt von grellen Schweinwerfern, waren Körper auf dem
Rasen ausgebreitet. Manche lagen leblos da, andere wurden heftig von
Sanitätern in orangefarbener Berufskleidung bearbeitet. Andere
Menschen standen oder schlurften benommen herum, scharf bewacht von
speziellen, mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten
Polizeihunden, die offenbar einen größeren Durchblick
hatten als irgendeiner der Menschen. Seit der Explosion waren nur
wenige Minuten verstrichen. Trotz des Summens in ihren Ohren konnte
Wednesday die schrillen Sirenen hören, die sich immer noch der
Botschaft näherten.
    Er hockte im Gras, als sie ihn fand. Den Kopf hatte er in den
Händen vergraben. Sein Gesicht war zur Clownsmaske geschminkt,
und er hatte eine rote Nase auf, die mit Blut bespritzt war. Er trug
ein Kostüm, das die Berufskleidung eines arroganten
Küchenchefs auf groteske Weise imitierte. »Sven?«,
keuchte sie.
    Er blickte auf. Seine Augen waren gerötet, und aus einem
Nasenloch sickerte Blut. »We… Wednes…«
    »Wir müssen los«, sagte sie und versuchte, sich
irgendetwas einfallen zu lassen, das in dieser Situation nicht allzu
albern klang. »Sonst verpassen wir unser…
unser…«
    »Geh nur, Mädchen, ich, ich…« Er sah so aus,
als wäre ihm schwindelig. »Hilft irgendjemand?«
    Ist er hier gewesen, um eine Vorstellung zu geben?, fragte
sie sich. Und laut: »Sind Sie verletzt? Kommen Sie, stehen Sie
auf. Wir gehen zurück in den Speisesaal. Dort werden die
Verletzten versorgt, mit Erster Hilfe. Wir sehen zu, dass Sie
verarztet werden, dann holen wir Frank und nehmen ein Taxi. Wenn wir
hier bleiben, wird man uns so mit Fragen löchern, dass wir nicht
mehr rechtzeitig zum Schiff zurückkommen.«
    »Schiff.« Er nahm die Hände vom Gesicht und sah sie
vorsichtig mit leicht verwirrter Miene an. »Kam hierher,
um… Musste kommen. Abgekartete Sache? Frank? Ist er verletzt?
Ist er…«
    »Hört kaum noch was und hat einen Schock, glaube
ich.« Ihr war kalt, sie zitterte.
    »Aber wir können doch nicht einfach…«
    »Doch, wir können. Hören Sie, Sie sind doch einer
meiner beiden Gäste, stimmt’s? Wir werden eine
Aussage machen, aber das müssen wir sofort tun, weil unser
Schiff noch heute Abend ablegt. Wenn Sie als Gast auftreten, wird man
Sie nicht so eingehend verhören wie einen
Unterhaltungskünstler oder jemanden, der zum Personal
gehört. Hoffe ich jedenfalls.«
    Als Svengali aufzustehen versuchte, trat Wednesday zurück, um
ihm Platz zu machen. »Muss… den… den…
Sanitätern nur sagen…« Als er ins Taumeln geriet,
schaffte Wednesday es irgendwie, seinen linken Arm zu packen und ihn
über ihre Schultern zu legen. Während der erste
Krankenwagen mit aufheulendem Elektromotor eintraf, schwankten
Wednesday und Svengali, den sie führte, wie zwei Betrunkene auf
den Eingang der Botschaft zu.

 
komm, süßer tod
     
    »Ich kann’s nicht fassen, verdammt noch mal!«
    Noch nie hatte Rachel George Cho so außer sich vor Wut
erlebt. Es war beeindruckend und hätte ihr Angst gemacht,
hätte sie sich nicht um wichtigere Dinge sorgen müssen als
darum, dass ihr Vorgesetzter wie ein kopfloses Huhn
herumflatterte.
    »Sie haben ihr Ziel verfehlt«, sagte sie bewusst
distanziert. »Es hat zwar sechs Tote und weiß Gott wie
viele Verletzte gegeben, aber sie haben’s trotzdem vermasselt.
Der Panzer hat sofort reagiert und den größten Teil der
Schrapnells gleich nach oben abgelenkt, und ich konnte mich noch
rechtzeitig zu Boden werfen.« Sie ballte die Hände zu
Fäusten, damit das Zittern aufhörte.
    »Warum wurde der Tatort danach nicht abgeriegelt? Und

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