Supernova
gut
möglich, dass man ihn auf die Probe stellen wollte. Und jedes
Zeichen von Schwäche konnte die Entscheidung in eine bestimmte
Richtung lenken. »Ich befolge die Anweisungen und arbeite
für den Ungeborenen«, erwiderte er milde und machte sich an
der Munitionskiste zu schaffen. »Hm. Diese hier zeigt nur noch
wenig Spannung an. Wie alt ist die Kiste?« Die großen
zielsicheren Splitterpatronen brauchten stete elektrische Spannung,
während sie lagerten, das war die größte
Schwachstelle dieser intelligenten Waffen.
»Reicht noch aus. Wir werden sie ja sowieso bald
einsetzen.«
Ich könnte desertieren, sagte er sich. Müsste
nur dem Kapitän melden, was hier vor sich geht… Allerdings wusste er nicht, wer sonst noch an dieser Aktion
beteiligt sein mochte. Zwar hatte er bis jetzt nur mit Portias Team
und Mathildes Gruppe zu tun gehabt, aber es könnten weitere
Leute involviert sein. Noch mal von vorn: Wenn ich
desertiere… Würde Erica für immer tot sein. Oder
war zur Wiederauferstehung unter dem forschenden, feindseligen Blick
eines rachsüchtigen Gottes verurteilt. Selbst wenn er es
schaffen sollte, die abgespeicherten, für die Wiederverwertung
bestimmten Seelen aus Portias Gepäck zu stehlen, würde es
ihm schwer fallen, Ericas Gehirn wiederherzustellen. Ganz zu
schweigen davon, ihr einen neuen Körper zu verschaffen. Dieses
technologische Know-how war dem Direktorat vorbehalten, wurde von den
Wiederverwertern gnadenlos kontrolliert und für die eigenen
Zwecke eingesetzt. Außerhalb des Direktorats kam man kaum an
die Technologie heran. Und wenn, dann nur zu horrenden Kosten. Und
wenn Hoechst tatsächlich die Wahrheit gesagt hat… Dann
gibt es noch Schlimmeres, als einer Abteilungssekretärin als
Sklave zu dienen. Weitaus Schlimmeres.
»Ah, Franz«, sagte eine warme Stimme hinter ihm. Er
zwang sich dazu, sich auf seine Hände zu konzentrieren:
zugreifen, laden, zugreifen, laden. Sie bedeutet mir nichts, dachte er. »Kommen Sie mit, ich habe einen kleinen Auftrag
für Sie.«
Er ertappte sich dabei, wie er beinahe willenlos aufstand, als
wäre er ein Schlafwandler. »Ich bin so weit.«
»Ha, das sehe ich.« Hoechst deutete auf eine der
Seitentüren, die zu ihrer Suite führten. »Da
drüben.«
Während er ihr folgte, öffnete sie etwas, das er
für eine Schranktür gehalten hatte. Genau: Es war
tatsächlich ein Schrank. Ein Schrank, in dem ein Stuhl stand,
von dessen Armlehnen und vorderen Beinen Riemen
herunterbaumelten.
»Was ist denn das?«, fragte er mit klopfendem
Herzen.
»Hab einen kleinen Auftrag für Sie.« Hoechst
lächelte. »Ich habe mich mit diesem Phänomen der Liebe
befasst und festgestellt, dass es da einige interessante
Implikationen gibt, die man sich zu Nutze machen kann.« Ihr
Lächeln schwand. »Es ist schade, dass wir uns nicht einfach
alle Passagiere vornehmen können, bis wir das Mädchen
haben, denn dann könnten wir es zur Marionette machen und zur
Zusammenarbeit zwingen.« Sie schüttelte den Kopf. »Wer
auch hinter ihr stehen mag: Jedenfalls haben diese Leute
höchstwahrscheinlich Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Also
müssen wir’s auf die altmodische Tour erledigen.«
»Die alt…«, Franz stockte. »Was meinen Sie
damit?«
Hoechst zog ein Notebook heraus und berührte es, worauf sich
eine Videoschleife zu drehen begann. Einige Sekunden lang war zu
sehen, wie das Ziel der Kamera jemandem jenseits des Sichtfeldes
zuwinkte. »Ich meine ihn.« Sie deutete auf das Gesicht.
»Ich gebe Ihnen Marx und Luna mit. Während alle anderen
Plan Abel ausführen, werden Sie zu seiner Kabine gehen und ihn
hierher bringen. Unversehrt, soweit möglich. Ich möchte ihn
als Pfand einsetzen.«
»Hm.« Franz zuckte die Achseln. »Wäre es nicht
einfacher, sie einfach zum Kooperieren zu zwingen?«
»Hiermit üben wir ja eine Art Zwang auf sie aus.«
Hoechst grinste ihn an. »Erkennen Sie das Muster nicht
wieder?« Das Grinsen verflog. »Sie ist ihren Verfolgern
schon oft entkommen, Franz. Kerguelen hat nicht völlig
geschlampt, sein Problem war ihre Erfahrenheit. Ich habe mir die
Einsatzberichte von U. Scotts Team vorgenommen, unbearbeitete, grobe
Protokolle, nicht den beschönigenden Quatsch, mit dem Scott sich
zufrieden gab. Mir kannsie nicht entwischen.«
»Aha«, bemerkte Franz kraftlos. »Und was soll ich
mit ihm anstellen? Wie lautet Ihre Anweisung?«
»Sie schnappen ihn sich einfach und bringen ihn hierher,
während ich mich um das übrige Schiff kümmere. Falls
er kooperiert,
Weitere Kostenlose Bücher