Supernova
nachzusehen, was da
los war, oder wollten zu ihren Kabinen zurück. Einige gehetzt
wirkende Stewards huschten hierhin und dorthin oder versuchten, auf
Fragen einzugehen, auf die sie selbst keine Antworten hatten.
»Sie wissen, was los ist, stimmt’s?«
Rachel konzentrierte sich auf die Stufen und bemühte sich,
nicht weiter auf ihre bebenden Muskeln zu achten. Sobald sie daran
dachte, was sie im Kommunikationsraum auf Deck D gesehen hatte,
musste sie ein Zittern unterdrücken. Noch sechs
Stockwerke.
»Was geht hier überhaupt vor?«
»Nicht reden, weiter steigen.« Noch fünf
Stockwerke. »Scheiße!« Als sie sich Deck D
näherten, löste sich die Menschenmenge auf, da hier nur
noch wenige Passagierkabinen lagen. Und es tauchten die ersten
Anzeichen von Problemen auf: Ein Mann stand mitten auf dem
Treppenabsatz und blockierte die nächste Treppenflucht. Sein
Gesicht war halb von klobigen, technologisch veralteten
Sichtgläsern verborgen, die wie aus den Anfängen des
Zeitalters der Informationskriege wirkten. Aber die
großkalibrige, tödliche Waffe in seinen Händen sah
durchaus funktionstüchtig aus.
»Sie da, bleiben Sie stehen. Wer sind Sie und wo wollen Sie
hin?«
Rachel blieb stehen. Sie spürte, dass Wednesday, die einen
Schritt hinter ihr stand, zitterte und drauf und dran war,
durchzubrechen und wegzulaufen, wenn sie selbst nicht schnell
irgendetwas unternahm. »Ich bin Rachel Mansour, und das hier ist
meine Tochter Anita. Wir wollten gerade zurück zu unserer Suite
auf Deck B. Was ist hier los?« Sie starrte ängstlich auf
das Gewehr und bemühte sich, so zu wirken, als sei sie von
diesem Anblick überrascht. Du meine Güte, was für
ein riesiges Ding! Gleichzeitig stählte sie sich innerlich,
rüstete die militärischen Implantate für den
unvermeidlichen Kampf auf. Falls der Mann in der Passagierliste
nachsah und merkte…
»Ich gehöre zur Sicherheitsabteilung des Schiffs. Wir
haben Grund zu der Annahme, dass ein gefährlicher Verbrecher
frei an Bord herumläuft«, erklärte der Mann und
starrte sie so an, als wollte er sich ihre Gesichter einprägen.
»Wenn Sie zu Ihren Kabinen zurückgekehrt sind, bleiben Sie
dort, bis Sie die Durchsage hören, dass Sie die Kabinen ohne
Risiko wieder verlassen können.« Er trat zur Seite und
winkte sie durch. Rachel holte tief Luft und schlängelte sich an
ihm vorbei, wobei sie einen Blick über die Schulter warf, um
sich davon zu überzeugen, dass Wednesday noch da war.
Sie folgte Rachel nach kurzem Zaudern und hatte immerhin so viel
Grips, den Mund zu halten, bis sie um die nächste Treppenspirale
gebogen waren. »Sicherheitsabteilung des Schiffs, dass ich nicht
lache! Was, zum Teufel, sollte das denn?«
»Das Kommunikationsnetz ist abgeschaltet«, murmelte
Rachel. »Wahrscheinlich haben diese Leute eine Namensliste, aber
sie wissen nicht, wer ich bin, und für Sie habe ich einen
falschen Namen angegeben. Sobald dies geschafft haben, die
Bordsysteme zu übernehmen, fliegt unser
Täuschungsmanöver unverzüglich auf, aber für den
Augenblick sind wir sicher.«
»Ja, aber wer ist Anita?«
Rachel blieb kurz stehen, um Luft zu schöpfen. Noch drei
Stockwerke. »Anita ist seit dreißig Jahren tot«,
erwiderte sie kurz angebunden.
»Oh, das wusste ich nicht.«
»Belassen wir’s dabei.« Rachel stieg weiter die
Treppe hinauf. Sie spürte ihre Waden und hörte, dass
Wednesday heftig atmete. »Man gewöhnt sich daran,
loszulassen und weiterzumachen. Nach einer Weile. Nicht alle
sterben.«
»Sie war… Ihre Tochter?«
»Fragen Sie mich ein andermal danach.« Noch zwei
Stockwerke. Geh sparsam mit deinem Atem um. Als sie den
nächsten Treppenabsatz erreichten, drosselte Rachel ihr Tempo.
Über ihren Köpfen schwebten die drucksicheren Türen,
die im Notfall heruntergelassen wurden. Sie wirkten wie die Messer
einer Guillotine und sahen so aus, als warteten sie nur darauf, die
Wendeltreppe in Stücke zu hacken. Ein Wachposten war nicht zu
sehen. Sie haben nicht genügend Leute, dachte Rachel
voller Hoffnung. Vielleicht kommen wir hiermit durch.
»Meine eigene Suite… Kann ich… dahin… nicht
zurück?«
»Nein.« Noch ein Stockwerk. »Ist nicht mehr
weit.« Als sie die nächste Treppenflucht hinter sich
hatten, blieben sie kurz stehen. Wednesday keuchte heftig. Rachel
lehnte sich gegen die Wand, denn in den Waden spürte sie
stechende Schmerzen, und ihre Lungen brannten. Selbst
militärisch ausgerüsteten Muskeln gefiel es nicht, ohne
Halt eine Wendeltreppe
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