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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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nichts, sich
Sorgen zu machen, Anita«, murmelte er. »Sie haben alles
unter Kontrolle, und wir können in keiner Weise
helfen.«
    »Will mir aber keinen Film ansehen.«
    »Manchmal kann man nur abwarten und Tee trinken«,
bemerkte Rachel mit philosophischer Gelassenheit. »Wenn man die
Ereignisse nicht beeinflussen kann, bewirkt es manchmal nur das
Gegenteil, wenn man sie mit Gewalt in die eigene Richtung lenken
will.«
    »Klingt in meinen Ohren wie völliger Mist, Mom.«
Wednesdays Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen.
    »Wirklich?« Rachel sah so aus, als sage sie das nicht
nur zum Spaß. »Dann will ich dir ein Beispiel geben. In
der Geschichte geht’s um, äh, eine Freundin von mir, eine
Expertin für Bombenentschärfung. Eines Tages holte man sie
aus einer Besprechung heraus, weil irgendjemand die örtliche
Polizei gerufen hatte, damit sie einem ausgerasteten Künstler
das Handwerk legte…«
    Wednesday seufzte theatralisch, setzte sich jedoch und hörte
aufmerksam zu. Sie wirkte fast belustigt, als nehme sie an, Rachel
habe diese Geschichten aus einer plötzlichen Eingebung heraus
frei erfunden. Wenn du nur wüsstest, dachte Martin.
Dennoch spielte sie ihre Rolle gut, besonders, wenn man die
belastenden Umstände bedachte. Er kannte genügend reife
Erwachsene, die unter der Last der Erkenntnis, dass das Schiff
gekapert worden war und die Operation ihnen selbst galt,
zusammengebrochen wären. Wenn nur…
    Er schloss die Netzverbindung seines Notebooks und gab eine Notiz
so ein, dass Wednesday sie sehen würde, sobald Rachel ihre
Geschichte zu Ende erzählt hatte. WARUM ALT-NEUFUNDLAND? »Jedenfalls will ich auf Folgendes hinaus: Hätte meine
Freundin versucht, dem Verrückten auf die Pelle zu rücken,
hätte sie den Nahverteidigungsmechanismus der Bombe
ausgelöst. Stattdessen hat sie einfach darauf gewartet, dass er
sich eine Blöße gab. Und das hat er auch getan. Das meine
ich, wenn ich sage: abwarten, nichts übers Knie brechen. –
Du siehst immer noch zur Tür. Hattest du da draußen etwas
Bestimmtes vor?«
    »Oh, ich muss nur meine Beine strecken«, log sie drauf
los. Als wäre sie nicht sowieso alle halbe Stunde durch das
Zimmer getigert. »Vielleicht würde ich mir die Brücke
ansehen, falls die mich reinließen, oder irgendwas angucken.
Ich glaub, ich hab irgendwo ein paar Sachen liegenlassen, die muss
ich mir zurückholen.« Sie suchte Martins Blick; er nickte
kurz. HAST DU SACHEN AUF ALT-NEUE ZURÜCKGELASSEN? »Was hast
du denn verloren?«
    »Ach, meine Schultertasche, die Ledertasche mit dem Abzeichen
drauf, weißt du? Und irgendeinen Zettel, auf dem ich was
notiert hatte. Ich glaube, es war in der Nähe, ähm, vom
Büro des Chefstewards. Und in der Tasche war auch ein
Buch.«
    »Wir kümmern uns später darum, die Sachen
zurückzubekommen.« Rachel sah von ihrem Notebook hoch.
»Bist du sicher, dass du die Tasche nicht im Schrank gelassen
hast?«
    »Ziemlich sicher, Mom«, sagte Wednesday angespannt.
BLOCK B, TOILETTE BEI DER POLIZEIWACHE – SICHERUNGSDISKETTE DER
REGIERUNG.
    Martin schaffte es gerade noch, nicht aus der Haut zu fahren.
»Die Tasche war ziemlich teuer, wenn ich mich recht
erinnere.« Er zog eine Augenbraue hoch.
    »Die ist wirklich was ganz Besonderes.« Wednesday
zwinkerte heftig. »Ich will sie zurück, ehe irgendjemand
anderes sie findet.« Sie zwang sich dazu, im Ton eines maulenden
verwöhnten Balgs zu reden.
    Der Versuch herauszubekommen, was genau Wednesday in der Nähe
der Polizeiwache von Alt-Neufundland versteckt hatte, machte Martin
rasend, aber da sie vermutlich überwacht wurden, wagte er nicht,
seinem Ärger Luft zu machen. Die Kombination aus
Ultrabreitbandsendern und -empfängern, neu konfigurierten
Knotenpunkten im öffentlichen Kommunikationsnetz und Software
zur Spracherkennung hatte das ganze Schiff in ein lückenlos
überwachtes Gefängnis verwandelt – ein Gefängnis,
in dem schon die falschen Worte einen Passagier ans Messer liefern
konnten. Martins Kopf tat weh, wenn er nur daran dachte. Und nach dem
zu urteilen, wie angespannt und knapp Rachel ihm auf all seine Fragen
antwortete, konnte er sich vorstellen, dass es ihr genauso ging.
    Sie standen die Nacht durch, in der keiner von ihnen Schlaf fand
(Wednesday hatte das kleinere Nebenzimmer der Suite in Beschlag
genommen), und ein grässlich phantasieloses Frühstück,
das ihnen vom zimmereigenen Fabrikationsgerät zubereitet wurde.
Alles schmeckte leicht nach künstlichen Zusätzen.
Außerdem hatte die

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