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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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hätte er dankend
ablehnen können – falls er gewollt hätte. Stattdessen
hatten sie einander etwas Denkwürdiges gegeben. Und
wechselseitig, ohne ihr Zutun, die eigenen Todesurteile
besiegelt.
    Die Übermenschen.
    Frank machte sich keine Illusionen darüber, was es bedeutete,
wenn eine fremde Stimme eine Krisensituation an Bord bekannt gab,
gleich darauf die Tür zu seiner Kabine aufgerissen und ihm ein
summendes, klickendes Gewehr unter die Nase gehalten wurde. Sie
hatten ihn mit einer Nadel gestochen, die ihn in Dunkelheit und
Kälte hatte versinken lassen. Und als er wieder zu Bewusstsein
gekommen war, hatte er sich in diesem albernen Verschlag befunden,
auf einem Stuhl festgebunden, während sein ganzer Körper
geschmerzt hatte und er nicht mehr hatte sprechen können. Dieser Moment der Panik war schrecklich gewesen, obwohl er
nicht angehalten hatte: Er hatte geglaubt, sein Herz werde versagen.
Und dann war der Verrückte mit dem Diamanten, so groß wie
ein Wachtelei, aufgetaucht und hatte ihn dazu gezwungen, eine
gewaltige Dosis von Kummer und Erinnerungen
herunterzuwürgen.
    Wie stehen ihre Chancen?, fragte er sich und versuchte, an
etwas anderes als die eigene missliche Lage zu denken, indem er sich
auf Wednesday konzentrierte. Sein eigenes Schicksal würde, wie
er annahm, von einem freundlichen Lächeln und dem falschen Ende
eines Bolzens zur Gehirnentnahme besiegelt werden, wenn die auf
peinliche Genauigkeit bedachten Vollstrecker des Todesurteils ihn
seines freien Willens und des Bewusstseins seiner selbst beraubten. Falls Wednesday bei Martin oder seiner Partnerin ist, versuchen
sie vielleicht, sie zu verstecken. Oder sie könnte sich irgendwo
draußen verbergen. Darin ist sie gut. Sie hatte viel vor
ihm verborgen; in diesem Spielchen hatte er erst spät gemerkt,
wie einsam sie war. Erst, als sie ihr Kinn in seine Halsgrube
gebettet und zehn Minuten lang leise geschluchzt hatte. (Er hatte
sich ziemlich beschissen dabei gefühlt, Angst gehabt, ihre
Wünsche falsch gedeutet und sie gegen ihren Willen ins Bett
gezerrt zu haben – bis sie seinen Schwanz umfasst und ihm ins
Ohr geflüstert hatte, sie weine über ihre eigene Dummheit,
weil sie so lange damit gewartet habe. Und wer war er denn schon, ihr
irgendetwas zu verwehren, das sie selbst wollte?)
    Sich selbst bedauerte er nicht; er hatte die ihm bestimmte
Lebensspanne bereits vor Jahren überschritten, als die
Übermenschen ihn wie einen zerquetschten Kern ausgespuckt hatten
und ihm nichts anderes übrig geblieben war, als sich durch den
Kosmos treiben zu lassen und irgendwo ein neues Leben anzufangen. Um
sich selbst hatte er keine Angst, wie ihm beiläufig klar wurde,
weil er das alles schon einmal erlebt hatte – es kam nicht
überraschend, sondern war nur ein lange aufgeschobenes
schreckliches Ende. Was in ihm schwelte, waren Wut und Bitterkeit
darüber, dass auch Wednesday das alles früher oder
später durchmachen würde, die ewige Dunkelheit in einer
behelfsmäßigen Todeszelle, die erst enden würde, wenn
die Vollstreckerin des Todesurteils die Lampen einschaltete und ihre
Instrumente ausbreitete.

 
    Hoechst stand hinter Jamil und Friedrich im rückwärtigen
Teil der Hilfsbrücke und sah zu, wie die leeren Hüllen der
zwei Brückenoffiziere, die jetzt Marionetten waren, die Romanow zu der unbeleuchteten, langsam näher kommenden
Raumstation manövrierten. Ähnliches würde gleich im
Maschinenkontrollraum oberhalb des Antriebskerns vor sich gehen, wo
Mathilde persönlich die ausgewählten Techniker anleitete,
denen man das Privileg gewährt hatte, den Übermenschen zu
dienen. Allerdings hatte man von den technischen Räumen aus
keine solche Aussicht wie hier, wo die Szenerie da draußen die
ganze vordere Wand der engen Hilfsbrücke einnahm. Vor dem rot
geränderten Hohlraum, der durch die Explosion des Moskauer
Hauptplaneten vor sechs Jahren entstanden war – das Bild
erinnerte an eine blutige leere Augenhöhle –, kreisten die
gigantischen Räder Alt-Neufundlands.
    »Eindrucksvoll, nicht?«, fragte sie Franz.
    »Ja, Chefin.« Er stand neben ihr, die Hände auf dem
Rücken verschränkt, um seine Nervosität zu
verbergen.
    »Die haben sich das selbst angetan.« Langsam, fast
ungläubig, schüttelte sie den Kopf. »U. Scott hat kaum
nachgeholfen.«
    »Wie gefährlich ist es da draußen?«, fragte
Franz nervös.
    »Ist nicht allzu schlimm.« Friedrich lehnte sich zur
Seite, um an einem der Zombies vorbei auf das Display der Konsole zu
sehen.

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