Supernova
die
Unterlichtgeschwindigkeitsfrachter zu übernehmen. Außerdem
haben sie alle ein- und ausgehende Echtzeit-Kommunikation der Zensur
unterworfen. Man kann auswandern – das ist ihnen egal –,
aber nur auf Schiffen, die mit Unterlichtgeschwindigkeit fliegen.
Auswanderer reden, aber die meisten Menschen achten nicht auf
Neuigkeiten, die schon Jahrzehnte alt sind. So was ist einfach nicht
mehr aktuell«, fügte er bitter hinzu. »Als sie
beschlossen haben, mich auslösen zu lassen, haben sie mich mit
einem Unterlichtgeschwindigkeitsfrachter deportiert. Ich habe zwanzig
Jahre im Kälteschlaf verbracht. Als ich ankam, wollte niemand
mehr wissen, was ich durchgemacht hatte.«
Und es hatte lange gedauert, bis er selbst so weit gewesen war,
sich an die Medien zu wenden: Sechs Monate in einem Krankenhaus hatte
er damit zugebracht, erneut zu lernen, wie man durch eine Tür
geht. Zu lernen, dass man, wenn man will, tatsächlich durch eine
offene Tür spazieren darf und nicht auf den Wärter warten
muss, der sie wieder abschließt. Es war eine quälende Zeit
gewesen, in der er hatte lernen müssen, wieder
selbstständige Entscheidungen zu treffen und das Leben in die
eigene Hand zu nehmen. Sechs Monate hatte er gebraucht, sich daran zu
erinnern, was es bedeutete, ein autonomes menschliches Wesen zu sein.
Und kein Roboter aus Fleisch und Blut, der in der gehorsamen
Maschinerie des eigenen Körpers gefangen war.
»Okay. Also… tun sie was! Herumziehen, um Welten
zu erobern? Klingt verrückt. Verzeihen Sie mir, wenn ich hier
Attacken auf Ihren guten Ruf als Journalist reite, aber es ist doch
absolut lächerlich zu glauben, dass irgendjemand so etwas tun
könnte. Eine Welt zerstören, ja, mühelos – aber
eine Welt erobern?«
»Das tun sie ja auch gar nicht.« Frank lehnte sich gegen
die Zwischenwand. »Ich bin mir nicht sicher, was sie
wirklich tun. In den Lagern hat man sich erzählt, dass sie sich
die Übermenschen nennen. Aber was das bedeuten soll…
Teufel noch mal, es gab jede Menge Gerüchte – von der
Gehirnwäsche bis zu einer genetisch manipulierten Herrenrasse.
Doch die erste Regel des Journalismus besagt, dass man Gerüchten
nicht trauen darf, bis sie durch Tatsachen belegt sind. Ich
weiß lediglich, dass dieses Schiff nach Newpeace unterwegs ist,
zu dem Planeten, den sie in eine wahre Hölle verwandelt haben.
Und diese Leute kommen allesamt von einem Ort namens Tonto. Was, zum
Teufel, geht da vor?«
»Sie sind doch der Online-Journalist.« Svengali
stellte mit leicht unsicheren Bewegungen die Flasche ab. Er runzelte
die Stirn. »Werden Sie versuchen, es herauszufinden? Das gibt
bestimmt ’ne gute Geschichte…«
erstes zwischenspiel
In einem stattlichen Haus, das auf einer Welt mit zwei kleinen
Monden am Ufer eines ausgetrockneten Flusses lag, saß eine Frau
mit meergrünen Augen und kurz geschnittenem schwarzem Haar
hinter einem Schreibtisch und las Berichte durch. Das Haus war
riesengroß und uralt. Bejahrtes Eichengebälk stützte
die steinernen Wände. Die Flügeltüren zur vorderen
Terrasse waren weit geöffnet, damit ein Luftzug ins Haus dringen
konnte. Die Frau war so in ihre Lektüre vertieft, dass sie weder
den leichten Wind noch den damit hereindringenden Rosenduft wahrnahm.
Allzu sehr war sie damit beschäftigt, die Aktennotizen auf ihrem
Bildschirm zu überfliegen, Anweisungen zu unterzeichnen, in
Lebensläufe einzugreifen.
Die Tür räusperte sich: »Sie haben Besuch,
gnädige Frau.«
»Wer ist es, Frank?«, erwiderte sie und warf einen Blick
auf das Namensschild aus Messing, das irgendein früherer
Hausbesitzer in seinem Überschwang an der sprechenden
Holztür angebracht hatte.
»S. Frazier Bayreuth. Sagt, er möchte Ihnen irgendeine
persönliche Sache mitteilen.«
»Persönlich«, murmelte sie. »In Ordnung, lass
ihn herein.« Sie schob ihren Stuhl zurück, strich
irgendwelche imaginären Fusseln von der Schulter ihrer Bluse und
rief auf ihrem Computer zur Sicherheit einen Bildschirmschoner auf,
der nichts von ihrer gegenwärtigen Arbeit preisgeben
würde.
Als die Tür klickte und sich öffnete, stand sie auf und
streckte ihrem Besucher die Hand entgegen: »Frazier.«
»Ma’am.« Zwar schlug er nicht die Hacken zusammen,
da er keine Stiefel trug, aber immerhin verbeugte er sich steif und
neigte den Kopf.
»Nehmen Sie Platz, nehmen Sie Platz. Sie haben zu viel Zeit
in der Neuen Republik verbracht.«
S. Frazier Bayreuth sank in den Stuhl gegenüber ihrem
Schreibtisch, auf den
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