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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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verschwand
trotzdem.
    Der Laserstrahl, den die Flak zum Spiegel oberhalb des
Bankgebäudes geleitet hatte, war für das bloße Auge
nicht sichtbar. Und dem Spiegel war es völlig gleichgültig,
ob es sich hier um akkreditierte Journalisten handelte oder wem die
Aufzeichnungsdrohnen gehörten, die hoch über der Stadt
dahintrieben. Der Spiegel kannte nur Freund oder Feind und das Feuer
der Abwehr. »Geht in Deckung!«, brüllte Frank genau in
dem Moment, als Alices Kopf mit einem schrecklichen Geräusch
explodierte und sich in eine Gischt aus rotem Sprühnebel
verwandelte. Der Anblick war so ähnlich, als sei ein Ei in der
Mikrowelle explodiert. Einen Augenblick lang – vielleicht auch
eine Minute – war Franks Kopf völlig leer. Seine Ohren
nahmen ein grässliches Geräusch wahr, ein lautes Kreischen.
Und da war Blut an seinen Händen, Blut an seinen Knien,
überall Blut, ein Meer von Blut, das bis zu dem eingetrockneten
Bächlein strömte, das von Phibul stammte. Ihm war
schwindelig und kalt. Und die Hand, die er hielt, half ihm nicht,
sondern wollte offenbar loslassen.
    Alice unten in der Bar. Alice, die ihn über das wirkliche
Leben aufgeklärt hatte, nachdem es ihr gelungen war, durch
Bestechung eines Regierungsbeamten an das Penthouse zu kommen. Alice,
die sich über diese Hochzeitssuite lustig gemacht hatte, als sie
eingezogen waren. Alice, die Drohnen über die Stadt da unten
fliegen ließ, damit sie die Bewegungen dort überwachten
und ausmachten, wo es bald rundgehen würde. Alice, die dabei so
aussah, als ob…
    Jenseits der Brüstung war Gebrüll zu hören.
Gebrüll und ein schrilles Geräusch, als reibe Metall gegen
Metall. Ein Geräusch, das er dort unten schon früher
gehört hatte. Alice war tot, und er war hier gestrandet, an
einem leeren Schwimmbecken, mit einer Fremden aus Turku. Ohne dass er
eine Möglichkeit hatte, die Arschlöcher für Alices Tod
bezahlen zu lassen. Es gab keine Verbindung mehr zur realen Welt,
keine Echtzeit-Verbindung.
    »Du kannst jetzt nichts mehr für sie tun.« Er
spürte eine kleine, harte Hand auf seiner Schulter und
schüttelte sie ab. Gleich darauf rappelte er sich benommen hoch,
auf die Knie.
    »Ich weiß«, hörte er sich selbst mit fremder
Stimme sagen. »Ich wünschte…« Seine Stimme brach.
Eigentlich wusste er gar nicht mehr, was sich dieser Mann, den er
verkörperte, wirklich wünschte. Und es spielte auch keine
Rolle mehr, oder? Er war nicht in Alice verliebt gewesen, aber er
hatte ihr vertraut. Sie war der Kopf der ganzen Operation
gewesen, der klügere, ältere Kopf, der wusste, was zu tun
war, verdammt noch mal. Das hier hätte nicht passieren
dürfen. Der Kopf, der diesen Einsatz vor Ort leitete, hätte
dabei niemals den Tod finden dürfen. Niemals so sterben sollen,
dass das Gehirn über das ganze Dach verspritzt war,
weil…
    »Bleib in Deckung!«, flüsterte Thelma. »Ich
glaube, es geht jetzt los.«
    »Es geht los?«, fragte er zitternd.
    Der Lärm auf dem Platz ebbte plötzlich ab, um sich dann
mit doppelter Lautstärke fortzusetzen. Aber da war noch ein
anderes Geräusch: ein Prasseln, als falle aus dem klaren blauen
Himmel Regen auf das Betonpflaster. Und in dieses Geräusch
mischte sich lautes Knattern. Dann waren die Schreie zu hören.
»Alice hat Recht gehabt«, sagte Thelma und kniete sich
zitternd unter die Brüstung. Mit ihrem
schweißüberströmten Körper und dem
kalkweißen Gesicht sah sie genau so aus, wie Frank sich
fühlte. »Die Jagdsaison ist eröffnet.«
    Unter ihnen, auf dem staubigen Platz voller Menschen vor den
Regierungsgebäuden, füllten sich die Gossen mit Blut.

 
    Als Frank mit seiner Geschichte bis zum Massaker gekommen war,
hatte Svengali bereits die halbe Whiskyflasche geleert. Franks Kehle
war heiser, aber er hatte seine Erzählung nicht unterbrechen
wollen und deshalb nicht darum gebeten, ihm nachzuschenken. Das
Erzählen tat für eine derartige Pause zu weh. Jetzt hielt
er Svengali sein leeres Glas hin. »Ich weiß nicht, wie
Ihre Leber das alles packt.«
    »Er hat die Eingeweide einer Ratte«, nuschelte Eloise
leicht angetrunken. »Er hat da irgend so ’n Enzym, das
seine Leber vor Alkoholschäden bewahrt.« Als sie aufstand,
schwankte sie leicht. »’tschuldigung, Jungs, aber heut
Nacht bin ich doch nicht so in Partystimmung. Nett, dass ihr mich
eingeladen habt, und vielleicht holen wir’s irgendwann mal nach,
aber ich glaub, ich werd heut Nacht Albträume haben.« Sie
drückte auf den Türöffner und verschwand

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