Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
«Die Herren mögen sich bitte selbst bedienen – eine Einladung des Hauses» an den Tisch der Freunde brachte, sagte Viktor: «Gregor, was hast du vor?»
Hölderling bedankte sich zunächst artig beim Kellner und nickte dem Maître d’ zu, bevor er den Cognac in die Gläser gab, eines vor Viktor abstellte und eines in seine große Hand nahm, um das edle Gesöff anzuwärmen. Der Ober sah es mit Wohlgefallen und ging lächelnd davon.
Nach mehreren Minuten befand Hölderling, dass der Cognac nun die richtige Temperatur hatte, und trank einen Schluck. Dann sagte er: «Ich habe vor, den Mörder von Marielle und Gretchen zu finden.»
«Was veranlasst dich zu diesem wilden Aktionismus? Ist doch sonst nicht deine Art?», entgegnete Viktor.
«Kann ich dir sagen. Weil ich glaube, dass Annelies und auch das Krähenfüßchen noch lange nicht aus dem Schneider sind. Und weil Annelies im Augenblick fern, das Krähenfüßchen aber unter Umständen sehr nahe ist, schlage ich vor, wir statten der Flüchtigen einen Besuch ab. Was hältst du davon? Ich hab ihre Schuhe in deinen Kofferraum gelegt. Wir kommen also in friedlicher Absicht.»
Viktor nippte vom Cognac, schloss genießerisch die Augen und murmelte nach ein paar Sekunden: «Wer lässt hier Seifenblasen platzen? Mein Gott, ich werde hierbleiben und mir die ganze Flasche geben … Hol mich irgendwann wieder ab, wenn du mit Petra fertig bist.»
«Viktor …»
«Ich lasse mir eine Leitung von diesem Gesöff direkt vom Fass in meine Vene legen … Könntest du bitte dem Ober …»
«Viktor …»
«Und mein Büro bitte anrufen. Der Chef ist verhindert, noch weit über seinen geplanten Urlaub hinaus …»
Hölderling schwieg und sah seinen Freund an. Die Augenäpfel unter den geschlossenen Lidern waren alles andere als ruhig. «Viktor, du hast Schiss.»
Liebermann riss die Augen auf. «Natürlich hab ich Schiss. Was denkst du denn? Was, wenn diese oder dieser Irre, nehmen wir mal an, es ist diese ominöse Constanze Mauerberg, Annelies was antut?!»
«Dann möchtest du lieber hier im Cognacrausch liegen?»
«Dann möchte ich an diesem Cognac bereits gestorben sein, verstehst du? Ich bin kein Held. Ich bin Anwalt.»
Und noch etwas bemerkte Hölderling am Verhalten seines Freundes und sprach es auch sogleich aus. «Du knibbelst mit deinen Händen die Leinenserviette kaputt – wie soll ich das deuten? Schlechtes Gewissen?»
«Was?»
«Du hast mich schon verstanden. Ich vermute, weil du während deiner Nachtwache weggepennt bist. Was da alles hätte passieren können!»
«Hundert Punkte, Herr Kommissar. Es tut mir leid. Wie gut, dass der Koch so einen leichten Schlaf hatte. Und deswegen sage ich: Ich bin kein Held und für so was nicht zu gebrauchen.»
«Und ich?», fragte Hölderling. «Seh ich etwa aus wie ein Held?»
«Du bist Polizist. Du hast eine Waffe.»
«Die liegt in Köln im Präsidium.»
«Hätte ich das gewusst, wäre ich in den letzten Tagen etwas nervöser gewesen.»
«Und ich wollte dir schon die Tapferkeitsmedaille verleihen, Herr Anwalt. Du hast dich eigentlich hervorragend geschlagen zwischen den Leichen. Ich meine – für einen Scheidungsanwalt.»
«Das war, weil … ach, egal … ich eben dachte, dass du deine Waffe dabeihast.»
«Viktor, du lügst. Du hast den Coolen gespielt, weil Annelies da war.»
Viktor guckte seinen Freund an, warf die Serviette auf den Tisch und fuhr sich durch die Haare. Er fühlte sich ertappt. Hölderling sagte nichts, sondern hielt Viktors Blick stand, bis der die Augen niederschlug und sagte: «Nein. Das hat damit gar nichts zu tun … Aber theoretisch bist du ein Beschützer von Witwen und Waisen und überhaupt … Du hast die Staatsmacht hinter dir. Ich habe gar nichts außer einem Doktortitel, der besagt, dass ich befähigt bin, Rosenkriege zu beiderseitiger Zufriedenheit zu beenden. Ich bin der Kofi Annan der Scheidungsgerichte … Und vor Petra Spieß habe ich mich schon immer gefürchtet.»
Hölderling beschloss, nicht weiter auf der Sache herumzureiten, und nahm den Richtungswechsel des Gesprächs dankbar an. «Dann warte ab, bist du ihren Vater siehst.»
«Werden wir das überleben, Gregor?»
Hölderling zuckte die Schultern und fragte sich, welchen von den Kriegsschauplätzen sein Freund wohl meinte, schenkte die Gläser noch einmal voll und bedeutete dem Ober, die Rechnung zu bringen.
«Ich kaufe die ganze Flasche …», sagte Viktor Liebermann.
«Die Geburtsstunde eines wahren Helden»,
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