sus
Anstand enttäuschen. Jetzt kann’s ihn zwar kalt
lassen, dort, wo er ist, aber trotzdem. Ich hab weniger denn je vor, die Sache
sausenzulassen.“
„Wie Sie meinen“, sagt Hélène.
„So langsam werd ich allerdings auch neugierig. Die
Art, Ihnen das Geld zu schicken...“
„Ja. Dieser Goldy war zu Lebzeiten so geradeaus wie ‘ne Heizspirale. Irgendwas sagt mir, daß noch
so einige Überraschungen auf uns warten.“
„Außer was den Mörder betrifft,
natürlich.“
„Warum, meine Liebe? Kennen Sie
ihn?“
„Aber, hören Sie mal! Haben Sie
den Chinesen schon vergessen?“
„Nein, nein, ganz und gar
nicht. Muß ständig an ihn denken. Aber Sie wissen doch genausogut wie ich, daß nichts so einfach ist, wie es aussieht. Sicher... dieser Tchang-Pou ist verdächtig. Wir haben ihn aus dem Haus
kommen sehen. Würd mich wirklich nicht umwerfen, wenn er den Diamantenhändler
kaltgemacht hätte.“
„Das haben Sie doch bestimmt
gedacht, als auf das Läuten keiner geöffnet hat, stimmt’s?“
„Ja. Kam mir ziemlich komisch
vor. Instinkt. Aber ich konnte doch nicht die Tür eintreten, um nachzusehen, ob
dahinter was Verdächtiges lag. Allerdings... ein kleines Experiment für zwanzig
Francs, das konnte ich wohl wagen.“
„Und das kann Ihnen den Hals
brechen, wegen der Quittung.“
„Tja, in dem Moment hab ich
tatsächlich nicht an diesen Wisch gedacht. Aber früher oder später hätten sie Goldys Leiche sowieso gefunden, und bei der Gelegenheit
auch die Quittung. Ob heute oder morgen... Na ja, abwarten.“
Ich seh auf die Uhr.
„Warten wir noch ein wenig.
Sollte sich niemand melden — Mörder, Flic oder Zavatter — , gehen wir zurück in
dieses Bistro. Da wird sicher von nichts anderem geredet als von dem Toten.
Vielleicht erfahren wir was Interessantes.“
* * *
Im Café in der Rue La Fayette dreht sich, wie vorauszusehen war, alles um den Tod
des Diamantenhändlers. Sozusagen das Tagesgericht oder die Sahnetorte nach Art
des Hauses. Der junge Bursche, typisch Pariser Gaffer, der optische Vielfraß
mit der richtigen Nase, erzählt bereitwillig allen, die es hören wollen, was er
weiß. Läßt sich nicht lange bitten. So erfahre ich, daß Goldy weder erschossen noch erstochen, sondern erschlagen wurde. Und auch das steht
nicht hundertprozentig fest. Sein Herz hat ihm jedenfalls den Rest gegeben. Mit
der Beurteilung seines Gesundheitszustandes hab ich also nicht ganz falsch
gelegen. Die braunen Ringe unter seinen Augen stammten nicht nur von der Lupe,
die er sich ab und zu ins Auge geklemmt hat. Sie waren auch ein Zeichen für
sein schwaches Herz. Und das hat wegen einer starken Aufregung gestreikt.
„Komisch ist nur“, sagt jemand,
„daß die Flics so schnell hier waren. Weiß man, wer
sie alarmiert hat? Er selbst?“
Der gewöhnlich gut
unterrichtete junge Mann hebt verächtlich die Schultern.
„Der Mörder natürlich“,
entscheidet er.
„Und warum sollte er angerufen
haben?“
Der Hobbydetektiv schweigt und
verzieht das Gesicht. Ihm tut es sichtlich leid, daß er darauf keine Antwort
weiß. Aber er kann nichts dran ändern. Einigermaßen geschickt zieht er sich aus
der Affäre:
„Das ist das große Geheimnis,
der Punktus Knackus .“
Ich komme ihm zur Hilfe:
„Und das Opfer, wer ist das?“
„Ein Diamantenhändler.“
„Ach! Ist er ordentlich beklaut
worden?“
„Soviel ich weiß — weiß man
noch nichts Näheres.“
„Kennen... Kannten Sie den
Mann?“
„Er war manchmal hier“,
antwortete der patron . „Ganz ruhiger Typ. Glaub nicht, daß man ihm viel geklaut
hat... wenn überhaupt. Gut, er machte in Diamanten. Aber was heißt das schon?
Nicht alle sind Millionäre. Würd mich nicht wundern, wenn der da nichts zu
brechen und zu beißen gehabt hat... Ein armer Scheißer, wenn Sie verstehen, was
ich meine“, fügt er hinzu.
„Jaja, ein armer Scheißer“,
wiederholt der patron noch einmal. Scheint das
wohl vor kurzem erst gehört zu haben und kann’s jetzt gar nicht oft genug
anbringen. Ein bekanntes Phänomen.
Wir verlassen das Bistro. Um
mehr über Omer Goldys Unglück zu erfahren, bleibt uns
nur eins: warten. Ich kaufe eine Abendzeitung. Steht aber noch nichts drin. Der Crépuscule wird sicher was darüber bringen.
Davon bin ich überzeugt. Diesen mysteriösen Fall wird sich mein Freund Marc Covet nicht entgehen lassen, der allesschluckende
Journalist.
Wir gehen wieder zurück ins
Büro. Das Telefon empfängt uns mit seinem Zirpen. Eine Grille. Ich
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