Susan Mallery - Buchanan - 03
überschreiten.“
„Oh, ich zittere schon vor Angst!“ Lori marschierte zum Bücherregal und drehte sich mit einem Ruck um.
„Was ist bloß los mit Ihnen?“, fragte sie noch einmal. „Warum benehmen Sie sich so? Ich verstehe das nicht. Ich weiß, dass Sie sich einsam und verlassen fühlen. Sie haben Schmerzen, und Ihnen wird bewusst, dass es irgendwann zu Ende geht. Wer macht sich nicht darüber Gedanken, wenn er so etwas erlebt hat wie Sie? Wissen Sie, gerade dann hilft es sehr, wenn man mit anderen Menschen spricht. Aber Sie wollen mit niemandem sprechen. Und wenn von Ihrer Familie die Rede ist, machen Sie dicht. Warum?“
„Das werde ich sicher nicht mit Ihnen diskutieren.“
„Schade. Denn ich werde erst gehen, wenn ich das verstanden habe.“
Gloria verschränkte die Arme vor der Brust und sah aus dem Fenster. Lori sah sie an.
„Ich hatte geglaubt, Ihre Enkelkinder wären die schlimmsten Egoisten der Welt“, sagte sie langsam. „Wie kann das sein? Die Großmutter verliert ihr einziges Kind, dann nimmt sie dessen Kinder, ihre Enkel, bei sich auf und gibt ihnen ein Zuhause. Gleichzeitig baut sie mit großem Erfolg ihr Geschäft auf. Und der Lohn für all das? Sie ist ihren Enkeln gleichgültig. Das habe ich geglaubt. Dabei ist es gar nicht so, stimmt’s? Sie wollen nichts mit ihnen zu tun haben! Was wollen Sie damit beweisen?“
„Halten Sie sich da raus“, entgegnete Gloria ihr, das Gesicht starr vor Wut. „Das ist nicht Ihre Sache. Hören Sie augenblicklich auf damit.“
„Glauben Sie, Sie könnten mich daran hindern? Sie halten sich für sehr stark, aber ich habe keine Angst vor Ihnen.“
Glorias Mundwinkel zuckten. „Oh. Wie erwachsen.“
Lori verkniff sich ein Grinsen. Meine Güte. Sollte sie die alte Dame etwa geknackt haben? War das ein erstes Anzeichen von Menschlichkeit? Unmöglich.
„Das ist Unsinn“, sagte Lori. „Ich weiß einfach, wie gewisse Dinge funktionieren. Also, was ist mit Cal? Warum wollen Sie ihn nicht sehen?“
Gloria wandte sich wieder zum Fenster, aber diesmal eher traurig als wütend. „Er hatte nie Respekt vor mir.“
„Das bezweifle ich.“
„Was wissen Sie schon. Und diese Frau, die er geheiratet hat! Sie war schwanger mit dem Kind eines anderen! Er zieht ein Kind auf, das nicht von ihm ist.“
Und da hieß es immer, im Pflegedienst zu arbeiten wäre langweilig. „Hat sie ihn betrogen?“
„Nein. Sie war schwanger, bevor sie Cal kennenlernte.“
„Also kann man ihr doch nichts vorwerfen.“
„Darum geht es nicht.“
„Natürlich geht es darum. Ist Cal glücklich mit ihr?“
„Jeder Idiot kann glücklich sein.“
„Ich nehme an, das bedeutet Ja.“ Lori lehnte sich gegen das Bett. „Passen Sie auf, dass Sie die Menschen nicht zu oft abweisen. Eines Tages wird sich niemand mehr nach Ihnen erkundigen.“
„Sie sprechen wohl aus Erfahrung“, sagte Gloria und sah sie an.
Lori blinzelte. „Wie war das? Was meinen Sie?“
„Das wissen Sie schon. Aber es ist eben nicht so angenehm, analysiert zu werden, habe ich recht?“ Gloria musterte sie. „Warum setzen Sie alles daran, nichts aus sich zu machen? Man könnte fast sagen, Sie spielen Ihre Attraktivität herunter. Mit Ihrer Kleidung zum Beispiel.“
Lori bemühte sich, keinerlei Reaktion zu zeigen – Rotwerden inklusive. „Ich trage einen Schwesternkittel, weil sich das bei meiner Arbeit anbietet.“
„Dieser Kittel ist formlos und hässlich. Sie haben ganz schönes Haar, binden es aber immer zu diesem lächerlichen Zopf zusammen. Dazu kein Make-up, und diese Brille!“
„Sie hilft mir, besser zu sehen“, sagte Lori. „Blinde Krankenschwestern finden selten Arbeit.“
„Sie benutzen Ihren Humor als Waffe. Ich würde sagen, ich bin nicht die Einzige, die Menschen abweist. Wie lautet Ihre Entschuldigung? Wann haben Sie den Kampf aufgegeben?“
Schon vor einer ganzen Weile, dachte Lori verbittert. Als ihr klar wurde, dass ihre ältere Schwester perfekt war und sie nie an sie heranreichen würde.
„Jetzt fällt Ihnen plötzlich nichts mehr ein“, sagte Gloria ganz ruhig.
„Ich ziehe es zwar vor, anderen Menschen ihre Fehler vorzuhalten, aber so rum geht es auch. Ich kann damit umgehen. Also: Ich trage mein Haar so, weil es praktischer ist. Ich kleide mich so, weil es angemessen ist. Ich benutze kein Make-up, weil ich morgens nicht die Zeit habe, mir mein Gesicht anzupinseln. Ich gehe lieber joggen.“
„Alles sehr gute Entschuldigungen. Haben Sie die schon länger auf
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