Susan Price
gesprochen.
Athelric sprach in einer Art über Elfling, die auf merkwürdige Weise ständig zwischen Zuneigung und Ehrfurcht wechselte. Die Freude auf seinem Gesicht ließ ihn wie ein frisch verliebtes Mädchen wirken, das mal schwärmerisch von einem Helden sprach und dann wieder vom liebsten Neffen. Sie brauche sich keine Sorgen zu machen, meinte er. »Wir stehen nun alle unter dem Schutz der Göttin.«
Kendidras einziger Gedanke war: Sollten wir dann keine Angst vor der Göttin haben?
An diesem Abend war der königliche Saal überfüllt, und an den zahlreichen Bänken und Tischen sammelten sich die vielen Menschen, die sich nun in der Residenz aufhielten und verpflegt werden mussten. Als sie sich an ihrem Platz an der Ehrentafel umschaute, wusste Kendidra, dass sie ihre Vorräte sofort überprüfen müsste, sobald Elflings Truppen sie wieder verlassen hatten. Sie führte ihre Kammerzofen von Tisch zu Tisch und ließ sie Getränke ausschenken, aber sobald sie diese Pflicht erfüllt und dafür gesorgt hatte, dass ihre Kinder und die Mädchen wieder sicher in ihren Räumen untergebracht waren, befahl sie einen Bediensteten herbei. Im Lichtschein seiner Laterne eilte sie durch die dunklen Straßen zu dem kleinen schäbigen Haus, in dem Wulfweard untergebracht war.
Im Haus war es dunkel, denn die Feuer waren bereits abgedeckt, und die Diener hatten sich zum Schlafen auf den Boden gelegt. Sie schlüpfte an ihnen vorbei, um den Vorhang herum, und berührte ihn dabei kaum.
Hinter dem Vorhang brannte das Feuer noch, aber es war fast erloschen und schimmerte tiefrot. Die beiden Wachen blickten sie hellwach an. Sie saßen gegenüber voneinander auf den breiten Schlafbänken, und neben ihnen lag schlafend die Priesterin.
Die Wachen versuchten Kendidra nicht aufzuhalten, als sie sich dem Bett näherte, behielten sie aber im Auge, und deswegen näherte sie sich nur zögerlich. Ein Türflügel des Betts stand halb offen, und sie erkannte im Inneren roten Feuerschein und dass Wulfweard gut zugedeckt war.
Jemand stand so nah neben ihr, dass er sie fast berührte, und sie atmete kurz und tief ein, bevor sie einen Schritt zur Seite wich. Sie war überrascht und wütend, denn die Wachen hatten kein Recht, ihr so nahe zu kommen. Aber es war Elfling.
Er schaute zu den Wachen hinüber und deutete ihnen zu gehen.
Als sie fort waren, ging er zum Bett hinüber und öffnete die Türen. Er setzte sich, beugte sich hinein und verschwand fast im Schatten.
Sie blieb neben dem Feuer stehen und fühlte sich erneut übergangen. Sie fragte sich, ob sie gehen sollte, und wünschte sich, dass er gehen sollte. Elfling drehte sich um und sah sie an. Schwarz schimmerten seine Augen im schwachen rötlichen Feuerschein. »Sie hat recht. Nur das Herz schlägt: Seine Seele ist verschwunden. Aber ich will einen Bruder.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Als sie heiratete, hatte sie ihr eigenes Land und ihre Brüder und Schwestern verlassen. Sie glaubte nicht, dass sie sie jemals wiedersehen würde. Ihr Mann hatte mit ihr Kinder gezeugt, und dennoch herrschte zwischen ihnen keine Liebe. Den ganzen Tag lang, jeden Tag, war sie von Menschen umgeben, die sie als die Herrin der Residenz bezeichneten, und sie hatte ihre Kinder, denen sie eine Mutter sein musste – aber es gab niemanden, der sie um ihren Rat fragte oder mit ihr scherzte, niemanden, der sie mal als gleichberechtigt behandelte, mal als Respektperson oder auch mal wie ein Kind. Keine echten Freunde, keine Schwester oder Bruder.
Sie hatte zugesehen, wie die Menschen Elfling hinterherliefen und ihn anstarrten und dabei etwas vom »Elfengeborenen«, murmelten – aber er musste genauso einsam sein wie sie selbst. Sie näherte sich ihm, und ihre Hand bewegte sich unbeabsichtigt, um seine Schulter zu berühren, um ihn wissen zu lassen, dass sie mit ihm fühlte. Noch bevor ihre Finger ihn berührten, spürte sie diese merkwürdige Wärme, die ihn umgab, und er sagte: »Herrin, warum helft Ihr mir nicht?«
Sie zog verwirrt ihre Hand zurück und bemerkte dann, dass er nicht mit ihr gesprochen hatte. Er hatte seinen Blick auf sie gerichtet, aber er schaute nicht sie an. Es schien fast so, als ob sie gar nicht existierte oder einer der hölzernen Pfähle wäre, die das Hausdach trugen.
Sprach er mit der Priesterin? Aber die Priesterin lag schlafend auf der Bank.
Elfling schaute ins Leere. Seine kehlige Stimme schien in der rötlich schimmernden Dunkelheit zu vibrieren. »Herrin. Helft
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