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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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sie zu retten, weil man sie sonst hinauswerfen würde.
    »Was soll ich tun?«, fragte sie sie. »Dieser Ort gehört nun Elfling – und er hat mir selbst gesagt, dass ihr bleiben könnt, wenn ihr euren Altar neben den der anderen Götter stellt.«
    Sie starrten sie lediglich wortlos an.
    »Was soll ich tun?«, wiederholte sie ihre Frage. »Eure Kirche war Ings Haus, bevor es zum Haus Christi wurde.« Das Götterhaus beherbergte früher eine wunderschöne Ing-Statue, das hatten ihr viele Menschen erzählt. Wenn sie sie doch wenigstens einmal hätte sehen können! Erneut wurde ihr klar, wie sehr sie die Feste ihrer Kindheit vermisste, die die Heirat mit einem Christen ihr genommen hatte. Das Fest zu Ehren Ings fiel genau in diese Jahreszeit, bevor alles dunkel und kalt wurde, und während dieses Fests bot sich Ing selber als Opfer an, dem allgegenwärtigen Sterben zum Trotz. Er breitete seine Arme aus und empfing die Speere. Sein Blut sickerte in den Boden, und seine Seele wurde in die Anderswelt gebracht, in Hels Halle. Aber es war immer ein fröhliches Fest gewesen, bei dem die Menschen Freudenfeuer anzündeten, sich betranken, und Speere auf eine Strohpuppe warfen, die hinterher verbrannt wurde – genau wie Ing, der auf seinem Scheiterhaufen verbrannt worden war. Sie waren sich Ings Rückkehr gewiss.
    Das Julfest fand zur Wintersonnenwende statt, wenn die Dunkelheit schon so lange andauerte und noch so viel länger dauern würde, dass es fast unerträglich schien. Am kürzesten Tag des Jahres, in seiner längsten Nacht wurde es abgehalten. Danach würde es vielleicht noch dunkler und kälter werden, aber die Nächte wurden kürzer und die Tage länger, denn die Sonne kehrte zurück. Beim Fest der Toten begab sich der trauernde Woden in die Anderswelt, um bei Hel um die Freigabe seines Sohns Ing zu bitten. Hel weigerte sich, ihm Ing herauszugeben, aber sie erlaubte ihm, die anderen Toten für eine Nacht zurückzubringen. Kendidra erinnerte sich, mit welcher Zärtlichkeit sie die Tische gedeckt, Essen aufgetragen und mit ihren Toten gespeist hatte, auch wenn sie unsichtbar blieben.
    Und Eostres Fest, das mit der Klage um Ing traurig begann. Jeder hatte für die Herrin auf ihrem Weg in die Anderswelt gebetet, wo sie mit ihrer Schwester Hel um die Freiheit Ings feilschte. »Alle müssen ihn beweinen«, forderte Hel, und so bedeckten die Frauen ihre Häupter, schmierten sich Asche ins Gesicht und hielten die Totenklage. Als junges Mädchen hatte sie darin geschwelgt zu weinen, mit dem Körper klagend hin und her zu wanken, während ihr die Tränen das Gesicht hinabrannen und in ihren Mund flossen. Es fiel den Kindern leicht zu weinen, denn traurige Geschichten reichten oft schon aus. Selbst die Männer weinten, und die Verrückteren unter den Frauen und Männern schnitten sich mit Messern in ihre Arme, bis Blut aus ihren Wunden rann.
    Am Ende dieses langen Tages voller Tränen hielt Hel ihr Versprechen und ließ Ing frei, und die Menschen feierten ein noch wilderes und trinkfreudigeres Fest als Jul. Die ersten Eier des Jahres wurden rot gefärbt und Freunden mit den Worten geschenkt: »Ing ist mit uns!« Es waren hart gekochte Eier, und man ließ sie gegeneinanderrollen oder schlug sie in Wettbewerben aneinander, bis sie platzten. Die Menschen küssten und umarmten sich und deuteten auf Weidenkätzchen und Primeln, die aus dem Gras hervorsprossen, mit den Worten: »Ing ist zurück!«
    Die christlichen Gemälde an den Mauern von Unwins Kirche hatten Friese von Ings Frühlingsritt, seiner Rückkehr auf die Erde, überdeckt. »Unwin hat die Götter verbrennen und den christlichen Altar aufstellen lassen. Nun, jetzt sind die Götter zurückgekehrt«, sagte sie.
    »Herrin«, sagte der Abt, »es scheint Euch nicht besonders zu missfallen, dass Christus niedergerungen wurde und wir vor die Tür gesetzt werden.«
    »Es bereitet mir große Sorge, euch in der Wildnis ausgesetzt zu sehen. Wollt ihr aber gehen, dann werdet ihr von mir Wegzehrung und Geld erhalten. Doch ihr könnt auch unter meinem Schutz hier bleiben.«
    Die Mönche wandten sich wortlos von ihr ab und verließen den Raum. Dennoch wies sie ihren Hausverwalter an, ihnen Proviant und Geld zu geben, sollten sie der Residenz den Rücken zukehren.
    Athelric suchte sie auf, denn er wollte die Kinder sehen, aber er konnte ihre Herzen nicht so leicht gewinnen wie Elfling. Godhilda, so sagten die Kammermädchen, hatte den ganzen Tag nur von »ihrem Wolf«

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