Susan Price
mir.«
Die Dunkelheit, der Rauch, die Flammen und umhersprühende Funken tanzten wild vor ihren Augen, verbanden sich zum Umriss einer Frau. Bevor sie überrascht ihre Hand schützend vor die Augen halten konnte, war die Frau im flackernden Schein wieder verschwunden – aber dann stand sie doch da, neben dem Bett. Eine hochgewachsene, stolze Frau, deren lange Haare über die Hüfte hinabhingen.
Kendidras Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie versuchte, sich mit langen Atemzügen zu beruhigen. Die Frau war die ganze Zeit da gewesen, noch bevor sie sie hatte sehen können. Elfling hatte sie angeschaut. Es schien ihr fast, dass das Dämmerlicht und der Rauch wie ein Nebel gewirkt hatten, um sie zu verdecken.
Die Augen eines Elfen, dachte sie. Er hat die Augen eines Elfen.
Sie wich einen Schritt zurück, wollte eigentlich fliehen, weil sie Dinge sah, die sie nicht sehen sollte. Aber vor Angst blieb sie stehen, wo sie war, wie ein Vogel, der sich auf den Boden kauert in der Hoffnung, der Fuchs möge weiterlaufen.
Diese Frau aus Schatten und Feuer näherte sich Elfling, und er stand auf, um sie zu begrüßen. Als sie ihn umarmte, erkannte Kendidra, dass sie gleich groß waren. Ihre langen, weich fallenden Haare schimmerten im Feuerschein rot und kupferfarben. Dunkelheit umfing sie, und ihr Flüstern durchbrach die Stille: »Er starb während der Schlacht am Schreienden Stein. Dieses Schicksal war ihm bestimmt.«
Elfling erwiderte ihre Umarmung nicht. »Herrin, ihr erwählt die Erschlagenen.«
»Bittest du mich an seiner Stelle um ein anderes Leben?«
»Ja. Nimm das seines Bruders. Nimm Unwin.«
Als Kendidra dies hörte, begann sie am ganzen Körper zu zittern. Sie schlang die Arme um sich und zitterte immer noch. Sie dachte, sie würde ihren Ehemann nicht lieben, aber dennoch waren solche Worte … Es war gefährlich, nur daran zu denken, ein Mitglied der königlichen Familie zu töten. Ein solcher Tod zog immer Kriege nach sich und forderte unzählige Opfer. Das ist ein Traum, dachte sie. Ich liege schlafend in meinem Bett, und ich spähe in diese hellrot erleuchtete Höhle und höre diese geflüsterten, in meinen Ohren hämmernden Worte. Eine geträumte Weissagung, die uns nichts Gutes verheißt.
Die hochgewachsene Frau strich mit ihren Händen durch Elflings Haare und warf sie nach hinten, außer den fein geflochtenen Zöpfen. »Und du wirst Unwins Leben nehmen und mir geben.«
»Ja, und so, wie ich Euch diene, Herrin, so bitte ich Euch im Gegenzug um Wulfweards Leben.«
»Er gehört nun Woden. Sein Geist wartet vor Wodens Halle, bis sein Körper ihn freigibt und er seinen Platz neben den Helden einnehmen kann. Hast du keine Angst vor Woden?«
»Ihr seid mächtiger als Woden, Herrin.«
»Oh.« Sie kicherte in der Dunkelheit und strich über sein Haar. »Lass uns das nicht auf die Probe stellen. Ich bin Leben und Tod. Er ist Tod und Leben. Ich erwähle die Toten. Er erwählt die Lebenden. Und Wulfweard gehört ihm. Wenn du für deinen Sieg in der Schlacht von seinem Versprechen abhängig bist, hast du keine Angst, ihn zu verärgern?«
Stille folgte. Kendidra betrachtete regungslos die beiden Gestalten, die vom flackernden Licht umrissen wurden. Einen Augenblick lang blitzten die Haare der Frauengestalt rot auf, dann fuhr das Licht die Rundungen ihrer Schulter und ihres Arms entlang, nur um einen Moment später eine Falte in ihrem Kleid bloßzulegen, die Sekunden später erneut in Dunkelheit versank. Sie dachte: Das hier darf ich nicht sehen! Sie erinnerte sich an Geschichten über andere Menschen, die einen kurzen Blick auf solche Wesen geworfen und ihre Worte belauscht hatten. Sie waren getötet, geblendet oder in Stein verwandelt worden. Um sich herum spürte sie die unnachgiebige Kälte harten Steins näherkommen. Ihr Herz schlug nur noch schwach, ihre Füße spürten den Boden unter sich nicht mehr, ihre Finger waren taub.
Elfling sprach. »Herrin, den Tag meines Todes und die Art meines Sterbens habt Ihr bereits vor langer Zeit bestimmt. Bis zu diesem Tag muss ich vor nichts Angst haben. An diesem Tag wird mich nichts mehr retten. Aber wenn ich Euch wohl gedient habe, dann schenkt mir dies: Lasst mich einen Bruder haben, solange ich lebe.«
Erneut herrschte Stille. Kendidra sah ihre Umrisse im flackernden Feuerschein verblassen und wieder deutlicher werden. Elfling senkte seinen Kopf auf die Schulter der Frau und umarmte sie.
Sie hob seinen Kopf und hielt ihn zwischen ihren Händen, bevor sie ihn
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