Susan Price
auf die Wandbank neben dem Bett und entnahm anschließend einem Beutel an ihrer Seite mehrere Holzstreifen, die sie auf die Bank neben sich legte. Dann nahm sie sie mit einem kleinen scharfen Messer auf, das an ihrem Gürtel befestigt war, und schnitzte heilende Runen ins Holz, das sie unter das Kissen und ins Bett gleiten ließ, direkt neben Wulfweards Herz und seine Füße.
Elfling lehnte am Bettrahmen und schaute auf seinen Halbbruder herab. »Es geht ihm nicht besser«, sagte er zur Priesterin.
Die Priesterin unterbrach ihre Arbeit und ließ Messer und Holz in ihren Schoß fallen. Sie lehnte sich an die Wand, seufzte, und legte ihre Hand auf Elflings Arm. Dann glitt ihre Hand nach unten, bis sie seine erreichte, und hielt sie fest. »Seine Seele hat ihn verlassen«, sagte sie. »Sein Herz schlägt, weil du es schlagen lässt – und dabei deine Kraft verschwendest.« Kendidra bemerkte, wie sich der Griff der Priesterin verstärkte. »Aber Wulfweard ist von uns gegangen. Sein Körper wird verhungern, sein Herz wird aufhören zu schlagen, egal was du auch tust.«
Elfling entzog ihr seine Hand nicht, bewegte sich nicht, sprach nicht.
Kendidra schnappte das Wort »verhungern« auf. »Er muss etwas Kräftigendes bekommen, was sich leicht essen lässt – ich werde Grütze machen, mit Sahne und Eiern, und sie mit Honig süßen. Wenn er nur ein wenig davon isst, wird es ihm bereits helfen«, warf sie ein.
Die Priesterin ließ Elfling los und nahm das Messer wieder zur Hand. »Wir sollten die Decken wegnehmen, die Feuer niederbrennen und ihn schnell sterben lassen«, sagte sie.
Eilig machte Kendidra einen Schritt auf sie zu. »Nicht unter meinem Dach.« Es bedeutete schon Unglück, einen Gast unter dem eigenen Dach sterben zu lassen, aber bei einem Mitglied der königlichen Familie, einem Sohn Wodens? Und was, wenn die Dinge sich so entwickelten, dass sie wieder mit ihrem Ehemann, Unwin Eadmundssohn, zusammenleben musste – und er herausfand, dass sie seinen jüngsten und von ihm geliebten Bruder hatte verhungern und erfrieren lassen? »Das werde ich unter meinem Dach niemals zulassen.«
Elfling kniete sich ans Bett und schlug die Decke zurück. Einen Moment lang befürchtete sie, er würde dem Vorschlag der Priesterin Folge leisten, und näherte sich ihm, um ihn aufzuhalten. Sie hatte den ersten Schritt noch nicht beendet, da erkannte sie, dass er die Innenflächen seiner Hände auf Wulfweards Brust gelegt hatte. Er senkte seinen Kopf, und seine Haare fielen nach vorn, verdeckten sein Gesicht und seine Hände.
Die Priesterin erhob sich, packte Elfling an den Schultern und stieß ihn zurück. »Du hast den ganzen Tag nichts gegessen«, sagte sie in vorwurfsvollem Ton, als er zu ihr aufblickte.
Elfling stand auf und ging. Er schritt an den Soldaten vorbei, ohne sie zu bemerken, und dennoch formierten sie sich und folgten ihm. Plötzlich drehte er sich um und blieb stehen. Er schaute jeden an und berührte zwei von ihnen an der Schulter, deutete zum Bett, in dem Wulfweard lag – sie sollten als Wache zurückbleiben.
Kendidra betrachtete die Gesichter der Männer, als sie zurückkamen und ihre Wache antraten. Ehrfurcht hatte sie ergriffen, Verzückung, dass ihnen diese Ehre zuteil wurde. Sie waren glückliche Männer. Mich , dachten beide, er hat mich bemerkt!
Und die anderen, die Elfling begleiteten, würden sich noch mehr anstrengen, würden alles tun, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Vielleicht haben die Zwölfhundert dem Elfenkind doch nichts beizubringen, dachte Kendidra.
Sie ging zum Bett hinüber und zog die Decke bis an Wulfweards Kinn hoch. »Nicht unter meinem Dach«, sagte sie zu der Priesterin.
Kendidras Pflichten als Herrin der Residenz waren von Elflings Hauptleuten übernommen worden, aber sie fragte dennoch nach ihren Leuten. Ihren Hauptmann hatte man seiner Befehlsgewalt enthoben, aber ihm bereits eine neue Aufgabe erteilt, und er würde Elfling begleiten, wenn die Truppen weiterzogen. Es tat gut zu wissen, dass er für seine Treue weder bestraft noch gedemütigt worden war. Außerdem schienen sich die fremden Krieger gut zu benehmen. Ihr kam kein Vorfall zu Ohren, bei dem ihre Leute ausgeraubt oder verletzt worden wären. Sie konnte beruhigt in ihre eigenen Räumlichkeiten zurückkehren und ihren Kammerzofen und den Kindern Mut machen. Sie waren in Sicherheit.
Sie befand sich in ihrem Zimmer, als die drei christlichen Mönche zu ihr kamen, die der Residenz dienten. Sie bettelten sie an,
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