Susan Price
wäre, dann würde er schon kämpfen. Es war ihm angeboren.
Es fiel ihm aber schwerer zu verstehen, wie Wulfweard den Mut aufgebracht hatte, nicht nur in den Kampf gegen dieses Ding zu ziehen und von ihm verwundet zu werden, sondern es auch noch trotz dieser fast tödlichen Verwundung »Bruder« zu nennen. Die Elfenbrut hatte einen von Wulfweards Brüdern getötet und den anderen ins Exil verbannt, und dennoch nannte er sie »Bruder«. Wie konnte er nur so ehrlos sein?
Er musste mit Wergeld gekauft worden sein. Der Gedanke, dass ein Mitglied der königlichen Familie das Wergeld für einen Bruder angenommen hatte – von einem Bastard, von Elfenpack –, war so beschämend, dass Godwin im Sitzen rot anlief. Nicht einmal ein Königreich, dachte er, nicht einmal zwei Königreiche würden mich dazu bringen gegen mein eigen Fleisch und Blut zu kämpfen.
Während er Wulfweard betrachtete, dachte Godwin: Ich sollte ihn auf der Stelle erstechen. Es sollte ihm nicht erlaubt sein, weiterzuleben und uns mit seiner Anwesenheit zu entehren. Er ist widerwärtig.
Godwin packte eine der Betttüren und schlug sie hart zu, einmal, zweimal.
Licht und Lärm – ein Donnerschlag – störten Wulfweards Schlaf. Er öffnete die Augen und hob die Hand, um seine Augen vor dem schwachen Licht zu schützen. Eine Stimme rief seinen Namen, fand ihren Weg durch die Dunkelheit, die Stimme seines Bruders, die nach ihm rief … Über ihm war Dunkelheit, und über der Heide erstreckte sich ein dunkler Himmel. Stammte das Licht aus den Fenstern des Saals, den er zu finden versuchte?
»Es tut mir leid, wenn ich dich geweckt haben sollte«, sagte Godwin.
Wulfweard senkte die Hand wieder und starrte den Jungen verwirrt an. Er versuchte, sich klar zu werden, wer er war und warum er auf der Heide lag, und merkte langsam, dass er sich in einem Saal befand – einem anderen Saal. Er sah das Holz seines Betts und legte eine Hand an seinen Kopf. Er lächelte.
Godwin wich seinem Blick aus. Wenn er lächelte, sah er dem Elfenpack ähnlich, und diesen Anblick hasste er. Er öffnete den Beutel und nahm die Eier heraus. »Ich habe dir Eier mitgebracht. Sie sollen dir guttun.«
Godwin brauchte beide Hände für die Eier, doch Wulfweard konnte sie in einer Hand halten. Die Gelenke über seinen mächtigen Händen wirkten zerbrechlich. Wulfweard lächelte erneut, aber Godwin ließ sich nichts anmerken. Sein Gesicht blieb regungslos.
»Hat deine Mutter dir aufgetragen, sie mir zu bringen?«, fragte Wulfweard.
»Ich habe sie gebracht. Es war meine Idee.«
Wulfweards Gesicht wurde ernst, und er neigte förmlich seinen Kopf. »Ich danke dir, Brudersohn, für deine Güte.«
Godwin versuchte, nicht zu lächeln, konnte es aber nicht verhindern. Die Dankesworte waren mit großem Ernst gesprochen worden und wärmten sein Herz, aber seine Freude kam ihm lächerlich vor. Auch der Reichste weiß Dankesworte für ein Geschenk zu schätzen – aber das stammte aus einem heidnischen Gedicht, und er sollte sich nicht daran erinnern.
Wulfweard hielt ihm eins der Eier hin. »Nimm du eins, und ich behalte dies. Dann werden sie uns beiden guttun.«
Godwin nahm die Hände hinter den Rücken. »Nein. Sie gehören beide dir.«
»Dann danke ich dir noch einmal.« Wulfweard legte den Kopf in den Nacken und zerschlug das Ei an seinen Zähnen. Er schluckte die zähe grau-gelbe Flüssigkeit hinunter. Als er den Kopf wieder senkte und lächelte, hingen Eigelb und Stücke der Eierschale an seinen Lippen.
»Ich bin gekommen, um dir Neuigkeiten zu überbringen«, meinte Godwin.
Wulfweard wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und hob neugierig die Augenbrauen.
Godwin beugte sich vor und stützte sich mit der Hand auf der hohen hölzernen Bettkante ab. »Dies weiß noch nicht jeder. Ein Reiter hat Mutter heute Morgen diese Nachricht überbracht. Sie hat sie mir erzählt, weil sie etwas mit meinem Vater zu tun hat, und sie hat mich schwören lassen, es niemandem zu erzählen – aber sie wird nichts dagegen haben, wenn ich sie dir erzähle.«
Wulfweards Augen wurden groß, und seine Lippen öffneten sich lautlos, bevor er sprach. »Unwin?«
»Er hat die Grenze überschritten! Er ist hier, in diesem Land!« Er beobachtete Wulfweards Gesicht genau und erkannte dort nur Entsetzen. Also war Wulfweard ein Feigling! Er hatte Angst vor den kommenden Schlachten. Wenn er jemals Mut besessen hatte, dann war er ihm abhandengekommen, als er diese Wunde erlitt.
Er betrachtete Wulfweard
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