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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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waren weit geöffnet, voller Wut und Entsetzen. Godwin wiederholte in Gedanken seine Worte und war bestürzt über das, was er gesagt hatte. Unerträgliche, unverzeihliche Beleidigungen! Er erinnerte sich an das Schwert auf dem Fußboden, direkt hinter dem Vorhang, und er dachte, dass Wulfweard es jetzt holen und ihn umbringen würde.
    Wulfweard wuchtete seine Beine wieder ins Bett und zog die Tür zu. Godwin starrte plötzlich auf glatte Holzpaneele.
    Er brach in schallendes Gelächter aus – über Wulfweards Feigheit, indem er sich vor ihm versteckte, über seine eigene Erleichterung, und weil er gewonnen hatte. Er drehte sich um, zog den Vorhang zur Seite und lief den gesamten Saal entlang und lachte. Doch als er den Ausgang erreichte, hatte er Tränen in den Augen, und er zwang sich zu lachen, damit er nicht zu schluchzen begann. Er hatte es verstanden. Ihm war nichts geschehen, weil er nur ein kleiner Junge war. Wulfweard würde ihn niemals herausfordern oder ihn schlagen, ihm nicht einmal antworten, weil er nur ein kleiner Junge war, der einen Wutanfall gehabt hatte. Kleine Jungs taten so was.
    Wulfweard konnte nicht zugleich der Bruder der Elfenbrut und der Bruder seines Vaters sein. Der Elfengeborene und Wulfweard, dachte er bei sich, sind beide meine Feinde.
    In der Dunkelheit des Schrankbetts hatte Wulfweard die Arme um seine Knie geschlungen und biss sich ins Handgelenk, um nicht weinen zu müssen.
    In der Dunkelheit seiner geschlossenen Augen tauchte die dunkle Heide vor einem noch dunkleren Himmel auf. Er öffnete die Augen, und in der Dunkelheit des Schrankbetts verschwanden Heide und Himmel nur langsam. Auf dieser Heide würde er wandeln, wenn er wieder schlief, das wusste er, und alles wäre halb im Nebel verborgen, jedes Geräusch wirkte gedämpft und wäre verloren, bevor er es richtig gehört hätte.
    »Die dornenberankte Heide dein letztes Ziel wird sein …«, sagte der alte Grabgesang, der von der Reise in die Anderswelt erzählte. Lange Zeit war er dort umhergezogen und hatte kalte Bergflanken erklommen, dem grau schimmernden Himmel entgegen, war düsteren Strömen in leere Täler gefolgt, wo kein Vogelgesang erschallte. In weiter Ferne hatte er die gedämpften Geräusche einer Schlacht gehört, war ihnen unaufhörlich gefolgt, doch nie näher gekommen. Ein einziges Mal hatte er eine große Halle erspäht, deren Mauern mit der Abenddämmerung oder dem Nebel verschmolzen und deren Dach mit Schilden geschindelt war. An ihren langen Wänden schienen tausend Türen zu sein, und in einer hatte sich der Umriss einer Gestalt abgezeichnet, dunkel vor dem Flammenschein, und hatte ihm eindringlich zugewunken. Ihre Größe, ihre Statur, ihre Bewegung hatten ihm sofort verraten, dass es sich um seinen Bruder Hunting gehandelt hatte, seinen toten Bruder, und er war erwartungsvoll losgerannt, da er endlich zu glauben wusste, wonach er gesucht hatte. Er hatte endlich das Ende dieser kalten, düsteren Heide entdeckt …
    Aber dann war die Halle nicht mehr zu sehen gewesen. Egal, wohin er sich auch drehte, keine Spur war mehr zu finden, kein Geräusch mehr zu hören. Irgendwie hatte er sich, obwohl sie sich genau vor ihm befunden hatte, auf dem Weg zu ihr verlaufen.
    Sein Körper, der nur noch eine Ansammlung von Knochen war, mit Haut überzogen, ein Käfig mit einem noch schlagenden Herz, hatte ihn gehindert, seine Seele zurückgerissen. Und jetzt, obwohl von ihm gesagt wurde, er wäre geheilt, spürte er die Dunkelheit und die Stille der Anderswelt immer noch in sich. Er wusste, wie dieses andere Land war: näher als seine eigene Haut, einfach nur auf der anderen Seite des Schlafs. Schwäche und Müdigkeit brachten ihn der Anderswelt näher. Wenn der Schlaf ihn übermannte, dann überschritt er die Grenze und wandelte wieder auf kalten, leeren Hügeln.
    Er versuchte, seine Kraft wiederzuerlangen. Er aß alles, was Kendidra ihm brachte, und begann wieder mit Schwert und Schild zu üben, um seinem Körper die Stärke zu verleihen, die er einst besessen hatte. Doch Schild und Schwert waren so schwer, dass er nach wenigen Waffengängen auf allen vieren zurück ins Bett kroch, um Erholung zu finden.
    Godwin war nur ein Kind, doch sein Körper war stärker und fester als seiner. Godwin hatte sich seinem Griff mühelos entwunden, hatte ihm Beschimpfungen mit mehr Atemluft entgegengeschleudert, als er in sich hatte.
    Godwin war nur ein Kind, doch nach wenigen beleidigenden Worten brach er in Tränen aus. Die

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