Susan Price
Geliebten aussuchen, heiraten und sich scheiden lassen, wie es ihnen beliebte. Eine Sklavenfrau durfte genauso benutzt werden wie ein Löffel und hatte genauso wenig Rechte.
Sie hatte über Flucht nachgedacht, aber welcher Sklave hatte das nicht getan? Aber wohin fliehen? Und wie Hild oft gesagt hatte: »Du schläfst im Warmen, du hast was zu essen. Worüber beklagst du dich eigentlich?«
Und weglaufen hätte bedeutet, Elfling verlassen zu müssen. Sie konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie ihn zu lieben begonnen hatte. Er gehörte zu ihren ersten Erinnerungen, als er wie sie selbst noch ein Kind gewesen war und mit ihr auf den Feldern gearbeitet hatte. Sie hatten zusammen gespielt, gegessen und zusammen geschlafen. Aber dennoch hatte man sie nie gleich behandelt. Hild hatte ihn länger spielen und schlafen lassen und ihm auch mehr zu essen gegeben. Sie hatte Elfling auf ihrem Knie sitzen lassen, ihn umarmt, ihn geküsst und über seine Haare gestreichelt, und Ebba hatte ihn beneidet. Eifersüchtig hatte sie nach Küssen verlangt, doch Hild hatte sie einfach weggeschubst. Ihre Enttäuschung war in Wut umgeschlagen, doch auf ihr Brüllen hatte Hild nur mit Schlägen reagiert und sie mit den Worten »Dreckige Sklavin!« aus dem Haus gejagt.
Elfling hatte nach ihr gesucht und sie in ihrem Versteck hinter der Scheune gefunden. Er hatte sie umarmt und geküsst und gesagt, er würde mit ihr kuscheln, wenn Hild es nicht tun wollte. Er hatte einen Apfel, den Hild ihm gegeben hatte, mit ihr geteilt. Sie waren damals beide noch sehr jung gewesen. Elfling hatte zuweilen solche Momente der Liebenswürdigkeit. Sie hatte nach und nach gelernt, dass es sinnlos war, auf sie zu warten.
Jahre vergingen, bevor sie verstand, dass Elfling nicht zu den Leuten vom Bauernhof gehörte, sondern ihr Herr war – der einzige Freigeborene unter ihnen. Selbst Hild war seine Sklavin, und sie war gar nicht seine Mutter. Man hatte sie ihm lediglich zur Verfügung gestellt, damit sie sich um ihn kümmerte, solange er noch klein war.
Zweimal im Jahr kamen Fremde auf den Bauernhof – reiche Fremde mit warmen Mänteln und goldenen Mantelspangen. Hild hatte Angst vor ihnen. Sie besuchten Elfling und trugen Sorge, dass man sich gut um ihn kümmerte.
Diese Fremden kamen vom Hof des Königs, denn Elfling war sein Sohn, wenn auch ein Bastard. Darum gehörte ihm alles – sie und der Bauernhof und alles andere, was darauf herumlief und wuchs. Sie hatte es zuerst nur geglaubt, weil man es ihr gesagt hatte. Es war eine große Überraschung gewesen, als ob man sich umdrehte und hinter sich ein aus Brot errichtetes Haus erblickte, zu dessen Tür eine Spur aus Brotkrumen führte. All diese Geschichten über Könige und verschollene Prinzen schienen sich zu bewahrheiten! Später hatte sie es bezweifelt, denn ihr Leben blieb genauso langweilig und eintönig wie zuvor – aber am Ende hatte es sich doch als die Wahrheit herausgestellt.
Sie verliebte sich in Elfling, als sie ihre volle Größe erreicht hatte, und sie konnte ihre Gefühle genauso wenig ändern, wie sie schrumpfen konnte. Wenn er ihr nur ein Viertel der Liebe entgegengebracht hätte, die sie ihm schenkte, dann hätte sie für ihr Leben genug gehabt. Die anderen Männer hätten sie nicht anrühren können. Sie wäre frei gewesen.
Aber Elfling war wandelbarer als das Licht. Jedes Mal, wenn er sie bemerkte, warf sie ihr gesamtes Ich in die Waagschale, um ihm zu gefallen, in der verzweifelten Hoffnung, dass er diesmal ihre Liebe erwidern und sie endlich glücklich sein könnte. Sie glaubte, dass feste Hoffnung allein genügen würde, um es irgendwann einmal wahr zumachen.
Es war nicht geschehen – und dann war der alte König gestorben und mit ihm Recht und Gesetz. Soldaten waren zum Bauernhof gekommen und hatten die Menschen rücksichtsloser niedergemäht als Getreide bei der Ernte. Und als der Bauernhof, der ihr einziges Zuhause war, und die Menschen, die ihre einzige Familie waren, in Flammen aufgingen, hatte Elfling sie im Stich gelassen. Tatsächlich verspürte er mehr Bedauern für das brennende Haus als für sie; so hatte es zumindest den Eindruck gemacht.
Und als sie ihn hier in Kingsborough wiedergefunden hatte, war er nicht nur ihr frei geborener Herr, sondern er war noch viel höher gestiegen. Selbst die Kette um ihren Hals mit dem Anhänger, der ihre Freiheit bestätigte, half ihr nicht, geschweige denn das Gold, das sie erhalten hatte. Um einen König heiraten zu
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