Susan Price
zu Elfling, der nun vor seinem Stuhl stand. Seine atemberaubende Schönheit, die Haare eines Athelings, die verschwitzte Kleidung eines Landarbeiters, die Blumenkrone – das alles ließ ihn unbeschreiblich seltsam wirken. Die Blumenkrone … Entsetzt bemerkte Ingvi, dass die Blumen so strahlend bunt und frisch aussahen, als ob sie gerade erst gepflückt worden wären, selbst der Klatschmohn. Etwas wie Angst regte sich in ihm.
Unwin saß im Bug des Bootes, und seine langen Haare fielen ihm über die Schultern. Die Ruderer stöhnten, als die Ruder das Wasser teilten und sie mit willkommener Feuchtigkeit bespritzten.
Sonnenstrahlen tanzten auf dem braunen Wasser. Vor ihnen lag der Teil der Insel, an dem sie bald anlanden würden. Auf dieser Insel – Ebbas Herz schlug ihr bis zum Hals, sie konnte kaum noch atmen – war Elfling.
Sie saß mit Ud achtern und hielt seine Harfe in ihrem Schoß. Er hatte ihr die Hand gereicht, um sie ins Boot zu führen. Adlige waren zurückgewichen und hatten andere Boote bestiegen, als ob sie Ud nicht bemerkt oder ihn für jemand anderen gehalten hätten. Jetzt stieß das Boot an Land, und Unwin sprang auf die Binsenmatten, während Ingvalds Boot direkt neben ihm das Ufer erreichte. Einer der Ruderer reichte Ebba die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Hinter ihr stand Ud, und niemand schenkte ihm Beachtung.
Der schmetternde Lärm von Hörnern verkündete ihre Ankunft. Unwin und Ingvald stiegen mit ihrer bewaffneten Eskorte den kurzen Weg zum Treffpunkt hinauf. Ud folgte Ebba auf dem Fuße, die öfter den Pfad verließ, um den Adligen nicht im Weg zu sein. Ihr Herz schlug unkontrolliert, ihr Atem ging flach, ihr Blut raste durch ihre Schläfen, dass sich ihre Sicht verdunkelte und sie Kopfschmerzen bekam. Sie konnte kaum noch sehen, geschweige sich daran erinnern, warum sie eigentlich hier war. Sie folgte einfach dem glitzernden Gold vor ihr.
Als Unwin in den Schatten des Sonnenschutzes trat, war das Erste, was er sah – seine Augen wurden wie magisch angezogen –, das Gesicht seines Bruders, eingerahmt von sorgfältig geflochtenen Zöpfen und langem Haar, gekrönt mit Gänseblümchen, Kornblumen und Klatschmohn. Er war bestürzt: Er hatte Wulfweard nicht so schön in Erinnerung. Doch es gab zwei Wulfweards.
Unwins Blick hetzte von einem zum anderen. Einer von ihnen war wie ein Atheling gekleidet, sah gut aus und wirkte eher wie Wulfweard, denn der andere trug eine lächerliche Blumenkrone und sah aus wie ein verschwitzter Landarbeiter. Unwin wurde klar, dass er die Elfenbrut mit seinem eigenen Bruder verwechselt hatte, wenn auch nur für einen Augenblick. Er fühlte sich, als wäre ihm ein demütigender Streich gespielt worden.
Unwin schritt mit ausgebreiteten Armen über das Gras auf Elfling zu und beabsichtigte, ihm den Begrüßungskuss zu geben, da er Elfling überlegen und älter war. Er hatte von dem Elfengeborenen erwartet, dass er versuchen würde, als Erster diesen Kuss anzubieten, doch stattdessen wirkte er überrascht und wich verlegen zurück. Einen Moment lang herrschte eine unangenehme, peinliche Stille, bis Unwin zurückging und vor seinem Stuhl stehen blieb. Ingvald stellte sich vor seinen Stuhl, und ihre Männer sammelten sich hinter ihnen. Ud stand in der ersten Reihe, als ob es sein gutes Recht sei, und niemand stellte dies infrage. Er legte seine Hand auf Ebbas Schulter, die vor ihm stand. Ihr Blick wich nicht von Elfling. Ruhe hatte von ihr Besitz ergriffen, eine Ruhe, wie nur grenzenlose Wut sie kennt. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde ihr den Atem nehmen.
Sie hatte von Elfling erwartet, dass er gekleidet wäre wie ein Atheling, von ihr getrennt durch Reihen hoher Adliger. Die Tatsache, dass er wie ein Landarbeiter gekleidet war, schien ihr eine Beleidigung zu sein, trotz seiner langen Haare, den Haaren eines Athelings! Und die Blumenkrone? In der Vergangenheit hatte sie ihm Ketten aus Gänseblümchen umgehangen – wer hatte diese gemacht?
Unwins Haushofmeister begann die lange Auflistung seiner Titel und Ahnen, die König um König bis zu Woden und Noah zurückreichte. Unwin benutzte die Gelegenheit, um Wulfweard zu betrachten, und war erfreut, den Jungen kein wenig gealtert und bei bester Gesundheit zu sehen.
Wulfweard erwiderte den Blick und lächelte schließlich. Es fiel Unwin schwer, keine Miene zu verziehen.
Wulfweard blieb in Blickkontakt mit Unwin, schaute aber kurz zu einem kleinen Jungen hinunter, der neben ihm stand, und schaute
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