Susan Price
überrumpelt, doch morgen würde er darauf gefasst sein und wissen, wie man mit einem solchen Kerl umzugehen hatte.
Erst in den kühlen Morgenstunden schliefen auch Morcar und Aldgytha ein und waren deshalb keineswegs ausgeschlafen, als sie der Lärm weckte, den die Hausbewohner beim Aufstehen machten. Durch die offene Tür kam ein eisiger Windzug herein und klärte den Dunst der Nacht. Ringsum wurde gehustet, gefurzt und sich mit langen Nägeln der Schorf am Grind gekratzt. Mit Rufen und Pfeifen trieb man die laut trampelnden Tiere hinaus. Im Hof herrschte auch viel unnötiger Lärm.
Drinnen kümmerte sich Hild derweilen ums Feuer, entfachte es neu. Bei jeder Bewegung stöhnte sie laut und seufzte tief. Sie stapfte zwischen Feuer und Hof hin und her und begann, den Eisentopf zu füllen. Dann setzte auch das teuflische Quietschen der Steinmühle wieder ein.
Morcars Diener erhoben sich schließlich und fingen mit Hild einen Streit darüber an, wie und wo sie für ihre Herrschaft das Frühstück auftischen sollten. Herr und Herrin konnten bei all dem Lärm nicht weiterschlafen.
Morcar setzte sich mit verquollenen Augen auf, und Aldgytha lugte unter ihrer Decke hervor und kratzte sich heftig.
»Wo ist der Heiler?«, fragte Morcar barsch. »Er muss sich heute noch meine Frau anschauen.«
Die alte Frau am Feuer musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen durch den Rauch, der eine weitere Rußschicht auf Wände und Dach legte. »Du hast ihn verpasst, Herr. Er ist bereits aufs Feld gegangen.« Das Mädchen, das hinter der Tür kniete und den Mahlstein drehte, warf Morcar über die Schulter einen Blick zu, den er schlichtweg als unverschämt empfand. Was ging diesen Trampel sein Gespräch an?
»Aber gewiss kommt er zum Frühstück zurück. Dann kann ich mit ihm sprechen.«
»Wie du meinst, Herr«, sagte Hild und bereitete weiter den Brei zu, der mit dem von gestern übrig gebliebenen Brot das Frühstück darstellte.
Morcar und Aldgytha aßen ihr eigenes Frühstück: helles braunes Brot, Käse und ein wenig Bier. Nachdem sie etliche Stunden gewartet hatten und es heller Tag war, kamen die Leute von der Arbeit zum Frühstück. Als Letzter trat der Elfengeborene ein und blieb unter dem Dachfirst stehen, während sich die anderen die Schüsseln füllen ließen. Jeder Mann und jede Frau holte sich den eigenen Löffel aus einem Gestell an der Wand und suchte sich auf dem Boden einen Sitzplatz. Nach dem Essen leckten sie die Löffel sauber und steckten sie zurück ins Gestell.
Der Heiler drehte mit absichtlicher Unhöflichkeit den Gästen den Rücken zu. Trotzdem war Aldgytha von seiner Größe, seinen breiten Schultern und dem langen Hals beeindruckt. Sein dichtes Haar war mit einem Messer auf Schulterlänge gestutzt und leuchtete golden im Türrahmen. Aldgytha senkte ihren Blick in den Schoß und widmete sich ausschließlich ihrem Frühstück.
Das Mädchen, das die Mühle betätigt hatte, sammelte das letzte Mehl von der Lederplane ein und holte sich von Hild eine Schüssel mit Brei, welche sie zum Heiler hintrug. Der Heiler nahm sie und ging, sich unter dem Türsturz hindurchduckend, hinaus auf den Hof.
Morcar machte eine unwirsche Bemerkung, kam mühsam auf die Beine und ging ihm nach, wobei er das Mädchen auf dem Gang grob aus dem Weg stieß.
Der Heiler stand mit dem Rücken zum Haus auf dem Hof und löffelte sein Frühstück aus der Schüssel. Morcar trat hinter ihn und sagte laut:« Meine Frau braucht deine Hilfe.« Der Heiler drehte sich nicht einmal um. Morcar trat vor ihn. »Du bist doch der Heiler, oder?«
Der junge Mann – eigentlich war er noch ein Junge, was seine Unhöflichkeit noch aufreizender machte – drehte den Kopf zur Seite.
»Zehn Jahre und kein Anzeichen für ein Kind«, erklärte Morcar. »Du bist ein Heiler. Du kannst ihr helfen.«
Einen Augenblick lang blickte der Heiler zum Haus. Morcar glaubte, das zeige ein gewisses Interesse, und er sagte eindringlich: »Es macht sie unglücklich. Ich gebe dir Gold, wenn du ihr hilfst.«
Der Heiler aß weiter, trat aber einige Schritte von Morcar weg und sagte dabei: » Du machst sie unglücklich.«
Diese unverschämten Worte versetzten Morcar in Wut. »Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen! Ich bin nicht hergekommen, um deine Meinung zu hören, wie ich meine Frau behandele, sondern um Hilfe für sie zu bekommen. Was ist mit dir los, Elfengeborener? Behandelst du nur Wesen, die wie du sind?«
Elfling, der bisher die Schultern hochgezogen
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