Susan Price
Schwertklingen blitzen sehen … eine Zeitlang musste Jarnseaxa ihn wieder einsalben und seine Zöpfe in Ordnung halten, wenn die eine oder andere Waffe ihn getroffen hatte. Doch im Laufe der Zeit lernte er, so blitzschnell zu reagieren, dass Jarnseaxa nicht ein unordentliches Haar in einem Zopf fand. »Aber morgen?« fragte sie. Doch das Ende des nächsten Tag kam, und jeder Zopf war in Ordnung. Er konnte zwar jetzt über einen Ast springen, der so hoch wie sein Kopf gehalten wurde, nicht aber unter einem kniehohen weiterlaufen, ohne an Tempo zu verlieren. Aber am dritten Tag waren seine Zöpfe ordentlich, und er sprang über den hohen Ast und lief unter dem niedrigen hindurch – alles ohne die Geschwindigkeit zu mindern.
Jarnseaxa trat zu ihm, umarmte ihn herzlich, küsste ihn und legte sein langes, in Zöpfe geflochtenes Haar um ihre Schultern.
»Ab jetzt darfst du die Heldenzöpfe tragen«, erklärte sie und streichelte sein Gesicht.
In dieser Nacht lagen sie gemeinsam in dem großen Bett, und Elfling fühlte, wie er schwach wurde vor Staunen und Liebe, denn noch nie hatte ein Mann eine solche Frau besessen. Sie bedeutete alles für ihn, eine ganze Welt. Sie war wunderschön und so weich, wenn er sie berührte. Sie war so liebevoll und zärtlich wie eine Mutter oder Geliebte – und dennoch feurig, stark und mörderisch – streng wie ein Feldwebel. War sie zärtlich, war es ein Segen, aber sie war so ehrlich, ihm eine Ohrfeige zu versetzen. Es war nicht leicht, ihr Lob zu gewinnen. Einst hatte sie Huntings Männer die Angstfesseln angelegt, jetzt spürte er, wie sich Liebesfesseln um ihn legten.
Er fragte nicht, weshalb sie so erpicht darauf war, dass Menschen eines kleinen Gehöfts gerächt wurden, dass sie ihn von der Mittelerde an diesen Ort gebracht hatte, um ihn auszubilden, sich zu rächen. Es war ihm gleichgültig, solange er bei ihr sein konnte. Obgleich er so viel gelernt hatte und sein Haar so lang gewachsen war, fragte er sich nie, wie lange er schon in der Anderswelt weilte. Es war ihm unwichtig. Er wollte nirgendwo anders sein.
Er ließ sich von ihr die langen, dünnen Heldenzöpfe an jeder Seite des Kopfes flechten. Er verflocht seine Haare mit ihren und wartete darauf, was geschehen würde. Ihm war alles gleich. Was immer sie wünschte, war auch sein Wunsch. Er gehörte ihr mit Haut und Haaren.
REISE IN DIE ANDERSWELT
Wulfweard stand im Zentrum des Raums. Sein langes Haar hatte er nach hinten gerafft und zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bis zur Hüfte reichte. Das Kerzenlicht flackerte über die vielen grauen Eisenglieder des schweren Kettenhemds, das er trug. Es spiegelte seinen Glanz auf dem Helm mit der Maske, welchen er unter dem Arm hielt. An einem reich verzierten Wehrgehänge hing ein Schwert von der Schulter, auf der anderen Seite schimmerte der Griff eines Saxes, eines langen Messers. Über den Rücken hatte er einen leichten Schild geschlungen, welcher mit dem Kreuzzeichen geschmückt war.
Er war für Rache ausgerüstet, eine dreifache Pflicht: für das Leben eines Mitglieds der Zwölfhundert, ein Leben, welches zwölfhundert Unzen Silber nicht hätten bezahlen können; für das Leben eines Mitglieds der Königssippe, dessen Blutpreis in Ländern entrichtet wurde; und – am wichtigsten – für das Leben eines Bruders. Wulfweard war stolz, dass ihm diese Pflicht übertragen worden war, und straffte die Schultern unter dem Gewicht des eisernen Kettenhemdes. Die Reise, die vor ihm lag, führte ihn aus dieser Welt hinaus – in welche andere, vermochte niemand zu sagen, ebenso wenig, welche Gefahren er dort allein würde bestehen müssen –, aber er wollte niemandem zeigen, dass er Angst hatte.
Frideswide kniete auf einer Seite des Raums und wiegte sich hin und her, während sie sang. Ihre Frauen waren um sie versammelt und schlugen Trommeln und begleiteten sie mit Gesang. Vom Feuer, das im Kohlenbecken brannte, stieg der Geruch des Holzes auf, mit dem auch die Wände verkleidet waren, ebenso ein einschläfernder Rauch. Die Trommeln schlugen, und die Priesterin »flog auf den Schwingen der Trommeln«. Athelric war auch da und saß in seinem Armsessel. Neben ihm saß Unwin auf einem Schemel. Frideswide hatte Unwin gebeten, dass er, als ein Ungläubiger, schweigen möge.
»Mein Bruder ist auch ein … Gläubiger«, hatte Unwin gemeint.
Daraufhin hatte Frideswind den Kopf ein wenig beiseitegedreht und gelächelt.
Der Raum war eines von Athelrics Privatgemächern über
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