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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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seiner Halle. Während Wulfweard dem Gemisch der Töne der Trommeln und der Gesänge lauschte, schaute er zu, wie das Kerzenlicht über die in sich verschlungenen Drachen auf den Holzpaneelen der Wände huschte. Da war Tiw, der uralte Gott, welcher den Armstumpf zeigte, wo ein Wolf ihm die Hand abgebissen hatte. Dort setzte Ings heiliges Schiff Segel, und dort wiederum ritt die Walküre unter den ineinandergreifenden Dreiecken, welche die Schlachtfesseln darstellten. Langsam sank sein Kopf vornüber, und er vermochte alles nur noch undeutlich zu sehen.
    Ings Frauen kamen zu ihm, nahmen ihm den Helm ab und halfen ihm, sich auf den Boden zu legen. Eine schob ihm ein Kissen unter den Kopf; eine andere legte den Helm neben ihn. Er fand das Heft seines Schwertes und packte es. Das Trommeln und Singen und der Rauch würden seinen Geist aus dieser Welt herausheben und in eine andere bringen. Dort würde er seinen geistigen Körper in voller Rüstung finden, mit dem Schwert in der Hand. Als er das für seltsam gehalten hatte, hatte Frideswide ihn gefragt: »Hast du nie geträumt? Und war nicht im Traum Wasser nass, wenn du es berührt hast, oder Stein hart? Hast du nie im Traum ein Schwert geführt oder einen Hieb mit dem Schild abgewehrt?«
    Das hatte er. Sogar sehr oft.
    »Wohin, glaubst du, geht man in Träumen?«, hatte sie gefragt. »In eine andere Welt! Doch nun werde ich dich geleiten, statt dass du wie Distelsamen umherschwebst. Wenn du in dieser Anderswelt aufwachst, wirst du nicht das Gefühl haben, deinen Körper hiergelassen zu haben. Aber iss nichts und trink nichts! Wenn du auch nur eine Krume isst oder einen Tropfen trinkst, kann ich dich nie zurückholen.«
    Athelric lehnte sich in seinem Sessel zurück und stützte den Kopf auf eine Hand. Er spürte, wie sich sein Herzschlag mit dem Rhythmus des Trommelschlags verlangsamte. Neben ihm schüttelte Unwin den Kopf. Er wollte den Rauch aus der Lunge blasen, weil er sich ärgerte, dass dieser heidnische Zauber auch ihn ergriff. Dunkelheit legte sich auf seine Augen. Er blinzelte aus Angst, blind zu werden. Doch es hatte nur eine von Ings Frauen einige Kerzen gelöscht, und die Schatten krochen aus den Ecken des Raumes hervor.
    Die wenigen noch brennenden Kerzen warfen ihr Licht hauptsächlich auf die auf dem Boden liegende Gestalt Wulfweards und ließen Strähnen seines Haares und das Gold in der Verzierung des Wehrgehänges aufleuchten, hoben hell Schild und Helm neben ihm hervor. Er lag da, als sei er für sein Grab aufgebahrt, samt den Grabbeigaben um ihn herum. Und wie für eine heidnische Bestattung, fiel Unwin auf, nicht für eine christliche.
    Der Klang der Trommel und der tiefe, kehlige Gesang der Priesterin brachen sich an den Holzwänden, dröhnten unter dem Strohdach und ließen sogar die Kerzen flackern. Athelrics Kopf sank vornüber. Jedes Mal, wenn er die Augen aufmachte, schlossen diese sich wieder. Als Wulfweards Gestalt waberte und sich im schwachen Licht auflöste, glaubte er, er würde nur dösen. Erst der scharfe Angstschrei einer der Frauen und Unwins Ausruf ließen ihn abrupt den Kopf heben und die Augen weit öffnen.
    Wulfweard lag nicht mehr auf dem Boden. Nur die Mulde im Kissen verriet, dass er dort gelegen hatte. Auch Helm, Schild und Schwert waren verschwunden. Schwankend erhob Athelric sich aus dem Sessel, trat vor, sank auf ein Knie und legte die Hand auf das Kissen. Die Mulde war noch warm, und in der rauen Haut seiner Finger blieb ein langes blondes Haar hängen. Athelric schwieg. Er spürte in seinem Inneren eine tiefe Stille, voll Ehrfurcht und Verwunderung. Er schaute zur anderen Seite des Raums, wo die Priesterin Frideswide zusammengesunken lag und laut und rasselnd atmete. Aus ihrem Mund rann Speichel auf ein mit Gold besticktes Kissen. Mehrere ihrer Frauen beugten sich über sie. Andere starrten auf die Stelle, wo Wulfweard gelegen hatte.
    Unwin war ebenfalls aufgestanden und stand neben seinem Vatersbruder, ein dunkler Schemen vor dem Kerzenlicht. Rauch umwirbelte ihn. Er blickte von einer Ecke zur anderen, nach oben und unten, sah jedoch nirgends seinen Bruder.
    Athelric ging, immer noch leicht benommen, zurück zu seinem Sessel und ließ sich schwer hineinsinken. Er schaute von Ings Frauen zu Ings heiligem Schiff und Tiw mit seinem Armstumpf, deren geschnitzte Darstellungen die Wände schmückten, während seine Gedanken verzweifelt – wie zuvor seine Hand – nach Hilfe suchten, alles zu begreifen. Dass ein Geist seinen

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