Susan Price
gekommen.«
»Aber die Heldenzöpfe! Schaut doch, er trägt Heldenzöpfe!«
Ein junger Mann brachte sein Pferd ganz nahe an Elfling, blickte zu ihm hinab und fragte: »Warum hast du diese Heldenzöpfe in dein Haar geflochten, du nacktarschige Vogelscheuche?«
Ein großer Hund hatte seine Pfoten auf Elflings Schultern, und er bemühte sich, den schweren Hund von sich abzuwehren. Als der Hund ihm Hals und Gesicht leckte, schaute er zu dem Reiter auf und antwortete: »Die edle Frau Jarnseaxa hat mein Haar geflochten, nachdem ich mir die Zöpfe verdient hatte.«
Der junge Mann drehte sich zu seinen Gefährten und rief lachend: »Er behauptet, er habe sich die Zöpfe verdient.«
Jetzt lachten alle, aber keiner von ihnen trug die Zöpfe, wie Elfling sah.
»Er hat sich die Zöpfe verdient!«
»Wo ist dein Halsreif, Held?«
»Hast du dein Pferd aufgefressen?«
»Deine Waffen hast du auch verschenkt, was?«
»Nein, nein! Es ist wahr – er ist ein großer Held aus einem vornehmen Geschlecht. Er heißt Sklave, Sohn des Leibeigenen, Sohn des Flegels, Sohn des Gebeugten Rückens, Sohn des –«
Elfling hatte den Eindruck, dass sie von Jarnseaxa wenig hielten und sich über die Ausbildung, welche sie ihm gegeben hatte, lustig machten und sie anzweifelten. Obwohl sie ihn verstoßen hatte, versetzte ihn das in Wut. Vielleicht war er noch wütender, als wenn sie noch bei ihm gewesen wäre. Er stieß den Hund von sich und blickte alle an. »Gebt mir einen Stock, und ich verteidige mich gegen euch alle – und werde eure Schädel spalten.«
»Er ist verrückt! Ein wahnsinniger Sklave!«, sagte einer, worauf alle schallend lachten und ihre großen Pferde so nah an ihn brachten, dass er von ihnen herumgestoßen wurde und ihre kräftigen Muskeln zu spüren bekam.
»Vielleicht hat ihn sein Herr hinausgeworfen. Wer will schon einen verrückten Sklaven.«
»Nicht hier«, erklärte ein anderer. »Wenn du dein Recht auf die Zöpfe beweisen willst, komm zur Halle! Das wird eine prächtige Abendunterhaltung.«
Die jungen Männer ritten auf dem Waldpfad, gefolgt von ihren Hunden. Auch Elfling folgte, denn er war wütend und wollte, dass sie ihre Hohnworte zurücknahmen. Und weil er so wutentbrannt war, wollte er jemanden verletzen.
Er musste den jungen Männern nur eine kurze Strecke folgen; eigentlich kam es ihm wie ein oder zwei Schritte vor, als das Land ringsum sich veränderte. Statt sich einen Weg durch den Wald zu suchen, stiegen sie einen Hügel hinauf, auf dem jeder Baum gefällt war. Elfling blieb stehen und schaute zurück. Er sah den Wald unten in einem Tal. Es war, als seien sie schneller und weiter gekommen, als er sich erinnerte.
Vor ihnen, auf dem Kamm des Hügels, erhob sich eine hohe Palisade, die so weiß gekalkt war, dass sie glänzte. Die jungen Männer ritten durch das Tor der Palisade, nachdem sie den Wachen etwas zugerufen hatten. Sie senkten die Waffen, und auch Elfling wurde der Eintritt gestattet. Diener rannten herbei, um ihnen die Pferde abzunehmen. Die jungen Männer schritten in die Halle, gefolgt von den Hunden. Ein Diener schaute zurück und forderte Elfling auf, ihm zu folgen, als sei er ein streunender Köter.
Es war die Halle eines großen Herrn, vielleicht sogar eines Königs. Nie zuvor hatte Elfling so viele Bänke und so viele junge Männer auf den Bänken – und an den weiß gekalkten Wänden so viele Waffen gesehen. Am erstaunlichsten jedoch war die Mittelsäule des Gebäudes: Das Schatten spendende Dach war ein lebender Baum. Und bis zum Heft steckte in diesem Baum ein Schwert – das Licht von der offenen Tür ließ den Knauf blinken.
Einer der jungen Männer nahm von einem Freund einen Schild, der blank geputzt war, stieg auf eine Bank und schlug mit der eigenen Messerklinge gegen den Schild. Der Klang füllte die Halle, und alle Gesichter wandten sich ihm zu. Gelächter und Gespräche brachen ab.
»Schaut her!«, rief der junge Mann und zeigte mit dem Messer auf Elfling. »Wir haben hier einen Herausforderer! Er behauptet, rechtmäßig die Heldenzöpfe zu tragen!«
Die Männer in der Halle erhoben sich von ihren Plätzen, drängten sich um Elfling und starrten ihn neugierig an.
» Der ist ein Held?«, sagten sie. »Dieser barfüßige Sklave?«
»Was ist dein Blutpreis?«, fragten sie Elfling. »Eine Schüssel Eintopf?«
Der Wortführer schlug wieder mit dem Messer an den Schild. »Er ist bereit, sein Recht zu beweisen! Wer will gegen ihn kämpfen? Wer ist bereit, sich diesem
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