Susan Price
Mann, mit dem sie geflirtet hatte, und viele Gaffer. »Du bist in Sicherheit, in Sicherheit. Eostre sei Dank!«, sagte Wilburga und wickelte Ebba in einen Umhang, den sie mitgebracht hatte.
Zurück in den Unterkünften, berichtete Ebba, soweit sie konnte, was geschehen war. Sie zitterte immer noch, und ihre Stimme überschlug sich oder brach ab. Zuweilen musste sie kichern, wenn sie sich erinnerte, wie verängstigt sie gewesen war, wie sie mit dem sicheren Todesurteil gerechnet hatte. Wilburga legte den Arm um sie und tätschelte ihre Schulter.
Wilburga erklärte ihr auch, dass das Pergament ihre Freiheit bedeutete und dass die Knochenplatte um den Hals der Beweis dafür war.
»Freiheit?«
»Du bist jetzt eine freie Frau, Liebling. Keine Leibeigene mehr.«
Ebba schwieg.
Wilburga entfaltete das Kleiderbündel und fand ein Untergewand aus guter Wolle, ein Oberkleid und einen Umhang. Der kleine Lederbeutel war voll Geld.
»Holt Ale!«, rief einer. »Wir müssen feiern!«
»Was immer ihr über Unwin sagt …«, begann eine Frau, brach jedoch ab und schüttelte den Kopf.
Wilburga lehnte sich dicht an Ebba und sagte leise. »Den besten Rat, den ich dir geben kann, ist: Halte den Mund und geh von hier fort – so weit und so schnell wie möglich.«
»Aber ich kann nicht«, widersprach Ebba.
Wilburga legte die Hand auf die Wange des Mädchens. »Du hast wohl keinen Ort, an den du gehen könntest, Liebes?«
»Ich könnte nach Alnothsstead gehen«, sagte Ebba. »Elfling wird mich dort finden.«
Wilburga seufzte.
»Oh Ebba«, sagte sie.
AM SCHREIENDEN STEIN
Das Landvolk marschierte bis zu zehn Meilen, um die Straße zu erreichen, auf der die Prozession reiten würde. Alle wollten den zukünftigen König sehen, der mit seinem Gefolge zum Schreienden Stein ritt. Andere ritten direkt zum Stein, der in den Hügeln lag, und übernachteten dort, um den Augenblick selbst zu erleben, wenn ein Mann der von Gott erwählte König wurde.
Die Parade war es in der Tat wert, so weit zu gehen und zu warten. Wenn jemand ein Pferd besaß, war es für gewöhnlich ein gedrungenes kleines Arbeitstier. Jetzt sahen sie Abteilung nach Abteilung der Truppen auf großen, gut gefütterten edlen Rössern, mit gebürstetem, glänzendem Fell, und an den Harnischen klingelten goldene und silberne Glöckchen. Auch an den Satteldecken und Zügeln glitzerten Fransen. Die einfachen Menschen vermochten nicht zu begreifen, wie es auf der Welt so viel Reichtum geben konnte, um diese Rosse zu kaufen, zu füttern und zu schmücken.
Unter denen, welche die Straße säumten und neben der Parade schritten, waren auch Reichere, die bunte Kleidung trugen, aber der Großteil steckte in den grauen und braunen Kitteln aus ungefärbter Wolle, die durch den Gebrauch vieler Jahre abgewetzt und formlos geworden waren. Ab und zu sah man auch Umhänge aus Leder, um den Regen abzuhalten, oder solche, die aus Stroh geflochten waren. Mit glänzenden Augen und offenen Mündern schaute die Menge zu, wie eine Reiterschar nach der anderen vorbeizog, alle festlich gekleidet, in Scharlachrot, Blau, Hellgelb und Grün. Die bunten Umhänge waren mit Pelz gefüttert. Und in der Sonne blitzte und glitzerte das Gold, das sie auf den Schultern, an den Hälsen, Armen und Händen zur Schau trugen. Sogar die Gürtelschnallen, Abzeichen an den Kappen und Fußschnallen blitzten. Wie konnte es in der Welt so viel Reichtum geben?
Auch Bewaffnete ritten in der Parade mit. Jeder Mann trug ein Kettenhemd, aus Hunderten von gedrehten Eisengliedern, einige mit goldenen Ziernägeln besetzt. Jeder Soldat trug einen Schild auf dem Rücken und auf dem Kopf einen Helm – einen Helm aus Eisen, keine Lederkappe. Alle hielten Speere in den Händen und Schwerter an der Seite. Etliche hatten auch Bogen und Köcher voller Pfeile auf dem Rücken. Wie konnte es in der Welt so viel Reichtum geben? Das waren die Krieger, welche die Landesgrenzen gegen Eindringlinge verteidigen und Bauern und Hirten schützen sollten. Handwerker und Handelsleute auf den Straßen fühlten sich sicherer, wenn sie diese lärmende, klingelnde, blitzende Reiterschar vorüberziehen sahen. Sie waren stolz auf ihre Truppen.
Dann kam der König höchstpersönlich. Die Schleppe seines purpurroten Umhangs hing über die Kruppe des Pferdes. Sein Neffe ritt neben ihm, ebenfalls in Scharlachrot. Beide waren wie für die Schlacht bewaffnet, um ihre Bereitschaft zu zeigen, ihr Volk zu verteidigen. Beide trugen Helme mit Masken, die
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