Susan Price
wenigstens das!«
»Unwin Sassenach ist nicht unser König – er ist niemandes König«, sagte der Torwächter.
»Aber er ist Eures Königs Gast!«
Der Torwächter seufzte schwer. »Begebt Euch zur Hütte, Vater, und wartet dort, während ich für Euch nachfrage. Das kann sehr lange dauern.«
»Ich werde hier warten«, sagte Vater Fillan und zog den Mantel enger um sich. Er war halb erfroren, glaubte aber fest daran, dass Gott und König Lovern ihm seinen Wunsch eher gewähren würden, wenn er litt.
In König Loverns Festsaal saß man gerade beim Abendessen zu Tisch. Bei Feierlichkeiten war er hell erleuchtet, doch heute brannten nur wenige Feuer und Kerzen, die aber zumindest Wärme spendeten. An den Tischen in Eingangsnähe drängelten sich Sklaven und einfache Bürger und machten einen Höllenlärm. Sie redeten und schrien wild durcheinander, ließen die hölzernen Tische und Bänke knarzen, schlugen ihre Becher aneinander und klapperten mit den Messern. An der Tafel des Königs saß fast niemand, denn König Lovern hatte sich dazu entschlossen, heute in seinen Privatgemächern zu speisen. Neben dem leeren Thron saß der riesige Sassenach, Unwin Eadmundssohn, und bei ihm der junge Däne, Ingvi Jarlssen.
An diesem Abend gab es schlichte Kost, doch davon mehr als genug: Brot und Butter, eine ordentliche Gemüsebrühe mit Hammelfleisch, Fisch, Käse und Milch zum Trinken. Obwohl sie ihren Hunger bereits gestillt hatten, lümmelten sie noch an der Ehrentafel herum, denn im Festsaal war es warm. Ingvi vertrieb sich die Zeit, indem er seinen Dolch mit der rechten Hand hochwarf und mit der linken wieder fing, um ihn anschließend mit der Linken zu werfen und rechts aufzufangen. Unwin gefiel dieses Spiel weniger, denn der Dolch lag schwer in der Hand und hatte eine scharfe Klinge. Irgendwann würde Ingvi danebenwerfen, und Unwin hielt es für nicht unwahrscheinlich, dass der Dolch dann ihn treffen würde. Trotzdem bewegte er sich nicht, denn damit hätte er Ingvi die Gelegenheit geboten, lauthals behaupten zu können, dass die Dänen offensichtlich mutiger seien als die Sachsen.
»Ich kann das wirklich gut. Ich habe den Dolch noch nie fallen lassen, oder? Und ich habe ihn jetzt schon mindestens fünf Dutzend Mal hochgeworfen«, sagte Ingvi, als er ihn erneut in die Luft warf und wieder auffing.
Bei Ingvi bedeutete »Dutzend« lediglich »viel«. Dass er gerade mal bis zwölf zählen konnte, gehörte zu den Dingen, die Unwin an ihm mochte. Als sich der Dolch wieder in der Luft befand, meinte Unwin nur: »Es wird sich im Kampf als nützliche Fähigkeit erweisen.« Sie konnten sich recht gut miteinander verständigen, denn ihre Sprachen waren nah miteinander verwandte Dialekte. Doch bei Sarkasmus stellten sich Ingvis Ohren auf Durchzug.
»Nun, es macht dem Feind Angst«, sagte er, »wenn er sieht, wie leichthändig man mit seinen Waffen umgeht. Ich kann das auch beim Reiten.« Und wieder befand sich der Dolch in der Luft.
»Ich hätte auf jeden Fall Angst«, sagte Unwin.
Ingvi wandte sich an Unwin, anstatt den Dolch noch einmal hochzuwerfen. »Die Leute sagen, ich wäre ein Elfenkind. Das bin ich aber nicht. Nicht so wie dein Elfenkind.«
»Dieses Ding ist nicht mein Elfenkind«, antwortete Unwin.
Ingvi schenkte ihm keine Beachtung. »Das liegt bloß daran, weil ich so dunkelhäutig bin.« Ihn unter seinen Verwandten zu erkennen wäre eine leichte Aufgabe. Die Dänen waren weithin bekannt für helle Haut, helle Augen und blonde Haare, aber auch für ihre Größe und einen massigen Körperbau. Ingvi hingegen war zwar groß, aber schlank, und seine Haut hatte den Braunton einer reifen, polierten Haselnuss. Seine Augen glichen in ihrer Färbung einem dunklen Flusslauf im Moor, wenn auch mit grünen und gelben Einschlägen, und seine Wimpern waren lang und dicht. Unwins Volk hatte sich immer über die Dänen lustig gemacht, die ihre Haare nur deswegen so schnitten, um »ihren Hals zu entblößen und damit den Feind zu blenden.« Ingvis Haare waren tatsächlich so geschnitten und ließen seinen gesamten braunen Nacken frei, während sie vorne unkontrolliert über die Augenbrauen fielen. Sie waren grob wie Hundefell, so dick wie Reet und so schwarz wie Ruß. Unter Loverns Nordwalisern fanden sich viele dunkelhaarige Männer, aber selbst ihre Haut und Augen waren hell, und niemand unter ihnen hatte so tiefschwarze Haare wie Ingvi. Ingvis große, starke Zähne wirkten im Kontrast zu seinen Haaren weiß wie Schnee, und
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