Susannah 4 - Auch Geister lieben süße Rache
daran, dass sie sehr wohl wusste, wie man mit dem Messer umging, und dass sie nicht zögern würde, es wenn nötig auch einzusetzen.
Ich nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich unter den gegebenen Umständen mehr als willig war, ihre Befehle zu befolgen.
»Gut«, sagte Maria de Silva. Dann nahm sie ihre Hand weg. Ich schmeckte Blut.
Sie saß rittlings auf mir - was erklärte, dass mich ihr Spitzenrock an der Nase kitzelte - und schaute auf mich herab. Das hübsche Gesicht hatte sie verzogen, ihre Miene war angewidert.
»Und da sagen die mir, ich soll aufpassen«, schnaubte sie. »Du seist nämlich ganz schön ausgekocht. Aber das bist du gar nicht, stimmt’s? Du bist einfach nur ein Mädchen, ein dummes kleines Mädchen.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte.
Und dann war sie verschwunden. Einfach so.
Sobald ich merkte, dass ich mich wieder frei bewegen konnte, stand ich auf und ging ins Badezimmer. Dort schaltete ich das Licht ein und betrachtete mich im Spiegel über dem Waschbecken.
Nein. Es war kein Albtraum gewesen. Zwischen den Zähnen, wo Marias Ring eingeschnitten hatte, quoll ein Blutstropfen hervor.
Ich spülte mir den Mund aus, bis das Blut weg war, dann schaltete ich das Badezimmerlicht aus und ging wieder in mein Zimmer. Ich war wie betäubt, konnte das, was eben passiert war, noch nicht richtig einordnen. Maria de Silva. Maria de Silva, Jesses Verlobte - oder wohl eher Exverlobte -, war soeben in meinem Zimmer aufgekreuzt und hatte mir gedroht. Mir. Der armen kleinen Suze.
Das musste man erst mal verkraften - vor allem um diese Uhrzeit. Es war nämlich erst … keine Ahnung … vier Uhr morgens oder so.
Aber wie sich bald herausstellte, sollte dies nicht das einzige Schockerlebnis der Nacht bleiben. Ich hatte mein Zimmer kaum betreten, da sah ich jemanden, der an einem Pfosten meines Himmelbetts lehnte.
Und es war nicht irgendjemand, sondern Jesse. Als er mich sah, richtete er sich kerzengerade auf.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er besorgt. »Ich dachte, ich … Susannah, hattest du gerade Besuch?«
Du meinst, von deiner messerschwingenden Ex?
Doch stattdessen sagte ich nur: »Nein.«
Okay, kein Stress. Dass ich Jesse nichts von dem nächtlichen Besuch erzählte, hatte nichts mit Marias Drohung zu tun.
Nein, es lag an etwas anderem, was Maria gesagt hatte. Dass ich Andy von dem Gebuddel im Garten abhalten sollte. Was nur heißen konnte, dass auf unserem
Grundstück etwas begraben war, was nach Marias Willen lieber nicht gefunden werden sollte.
Ich hatte so eine Ahnung, was das sein könnte.
Und noch eine zweite Ahnung hatte ich: Möglicherweise war das der Grund dafür, dass Jesse seit so langer Zeit hier in den Hügeln von Carmel herumhing.
Eigentlich hätte ich es ihm auf der Stelle sagen sollen, oder nicht? Ich meine, schließlich war es sein gutes Recht, davon zu erfahren. Denn es betraf ihn ja direkt und persönlich.
Aber gleichzeitig würde es ihn mir für immer wegnehmen.
Ja, ich weiß: Wen man wirklich liebt, lässt man gehen. Wie in diesem Spruch, den ich schon so oft auf irgendwelchen Postern mit selig herumfliegenden Möwen gesehen habe: Was du liebst, das lasse frei. Wenn das Schicksal es will, wird es zu dir zurückkommen.
Also mal ehrlich. Der Spruch ist total idiotisch. Und er passte null auf die Situation, die ich gerade durchmachte. Denn sobald Jesse weg wäre, würde er nie wieder zu mir zurückkommen. Weil er das dann nicht mehr könnte. Weil er dann im Himmel wäre oder im nächsten Leben oder wo auch immer.
Und dann müsste ich doch noch Nonne werden.
Oh Mann, das war echt zum Kotzen.
Ich kroch wieder ins Bett. »Hör zu, Jesse«, sagte ich und zog mir die Decke bis zum Kinn hoch. Ich hatte T-Shirt und Boxershorts an, aber natürlich keinen BH und so. Im Dunkeln konnte er das sicher sowieso nicht sehen, aber man konnte ja nie wissen. »Ich bin echt müde.«
»Oh«, sagte er. »Natürlich. Aber … Bist du sicher, dass niemand hier war? Ich könnte schwören, ich …«
Angespannt wartete ich darauf, wie er seinen Satz beendete. Ich könnte schwören, ich hätte die liebliche Stimme meiner Liebsten gehört? Ich könnte schwören, ich hätte ihren Duft gerochen? Der übrigens eine starke Orangenblütennote besaß.
Aber er sagte nichts von alledem. Er schüttelte nur verwirrt den Kopf und sagte: »Tut mir leid.« Und dann verschwand er genauso abrupt wie seine Exfreundin kurz zuvor. Man hätte meinen können, sie hätten bei dem
Weitere Kostenlose Bücher