Susannah 4 - Auch Geister lieben süße Rache
richtig, hierherzukommen, Jack«, sagte er missbilligend. »Wo hast du nur deinen Kopf? Ich hab dir doch gesagt, dass das sehr gefährlich wird.«
»Aber …« Jack starrte weiter auf meinen bewusstlosen Körper. »Ihr Seil. Sie hat doch ihr Seil vergessen.«
»Na los«, rief ich aus meinem himmlischen Loch herunter. »Reichen Sie’s mir hoch.«
»Suze!«, schrie Jack glücklich. »Du bist ein Geist!«
»Pst!«, zischte Pater Dominic. »Also wirklich! Wir müssen leise sein!«
»Hallo, Jack«, sagte ich. »Danke für das Seil. Aber wie bist du hierhergekommen?«
»Mit dem Shuttlebus vom Hotel«, verkündete Jack stolz. »Ich hab mich reingeschlichen, als er in die Stadt fuhr, um betrunkene Hotelgäste einzusammeln. Als er in der Nähe der Mission angehalten hat, bin ich ausgestiegen.«
Wäre er mein eigen Fleisch und Blut gewesen, hätte ich nicht stolzer sein können. »Gute Idee«, sagte ich.
»Oje, das fehlte uns gerade noch«, stöhnte Pater Dom. »Hier ist das Seil, Susannah. Und jetzt beeilen Sie sich, um Himmels willen …«
Ich beugte mich herunter und griff nach dem Seilende, dann band ich es mir fest um die Taille. »Okay«, sagte ich. »Wenn ich in einer halben Stunde nicht wieder da bin, fangt ihr an zu ziehen.«
»Fünfundzwanzig Minuten«, verbesserte mich Pater Dominic. »Dank dieses jungen Mannes hier haben wir Zeit verloren.« Er hatte eine Taschenuhr hervorgezaubert und hielt sie in der freien Hand. »Gehen Sie schon«, drängte er.
»Also gut. Bin gleich zurück«, sagte ich.
Dann schwang ich meine Beine über die Lochkante. Pater Dom und Jack standen immer noch da unten und starrten zu mir hoch. Ich konnte mein schlafendes Schneewittchen-Ich inmitten der tanzenden Kerzenflammen sehen. Wobei Schneewittchen sicher nie Prada getragen hat.
Ich richtete mich auf und sah mich um. Nichts.
Echt. Da war nichts. Bloß der schwarze Himmel und ein paar kalt glühende Sterne. Und der Nebel natürlich. Dichter, wabernder, kalter Nebel. Ich hätte lieber einen Pullover anziehen sollen , dachte ich fröstelnd. Der Nebel schien die Luft, die ich einatmete, viel schwerer zu machen. Und den Schall zu schlucken. Ich konnte nichts hören, nicht einmal meine eigenen Schritte.
Okay, fünfundzwanzig Minuten waren echt nicht viel. Ich holte tief Luft und schrie: »Jesse!«
Die Aktion zeitigte sofort Wirkung. Nein, Jesse tauchte nicht auf. Oh nein. Aber dafür ein anderer Typ.
Und zwar in einem Gladiatoren-Outfit.
Nein, kein Witz. Er sah genauso aus wie der Kerl auf der American-Express-Karte meiner Mutter (die ich mir - natürlich mit ihrer Erlaubnis - ab und zu ausborgte). Mit Spitzhelm, Lederminirock und großem Schwert. Wegen des Nebels konnte ich seine Füße nicht sehen, aber ich hätte wetten können, dass er flache Latschen anhatte. (Echt unvorteilhaft für Leute mit dicken Knubbelknien.)
»Du gehörst nicht hierher«, sagte er mit einer Stimme, die nichts Gutes verhieß.
Oh Mann, das Kleid war echt ein Fehler gewesen. Aber wie hätte ich wissen sollen, dass es im Jenseits eine Kleiderordnung gab?
»Ich weiß«, sagte ich und schenkte ihm mein schönstes Lächeln. Vielleicht hat Pater Dom recht. Vielleicht setze ich wirklich ab und zu ganz gern meinen Sexappeal ein, um zu bekommen, was ich will. Jedenfalls
versuchte ich das jetzt bei diesem Russell-Crowe-Verschnitt, der vor mir stand.
»Ich bin nur auf der Suche nach einem Freund«, sagte ich und tastete nach dem Seil. »Vielleicht kennen Sie ihn ja. Jesse de Silva? Er müsste gestern Nacht hier aufgekreuzt sein. Er ist so um die zwanzig, einsachtzig groß, schwarze Haare, schwarze Augen …« Und ein irrer Waschbrettbauch.
Russell Crowe schien mir nicht zugehört zu haben. »Du gehörst nicht hierher«, wiederholte er nur.
Okay, das mit dem Kleid war wirklich gründlich in die Hose gegangen. Wie sollte ich diesen Typen jetzt aus dem Weg prügeln, ohne das gute Stück kaputtzureißen?
»Jetzt hören Sie mal«, sagte ich, ging auf ihn zu und versuchte seine Brustmuskeln zu ignorieren, die so ausgeprägt waren, dass sein »Busen« größer war als meiner. Viel größer. »Ich hab’s Ihnen doch gerade erklärt. Ich suche jemanden. Also, entweder Sie sagen mir, ob Sie ihn hier gesehen haben, oder Sie gehen mir aus dem Weg, okay? Ich bin eine Mittlerin, ja? Ich habe genauso ein Recht darauf, hier zu sein, wie Sie auch.«
Ich hatte keine Ahnung, ob das wirklich stimmte, aber egal. Ich war schon mein Leben lang Mittlerin gewesen und hatte nie
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