Susannah - Auch Geister koennen kuessen
als das hier – besser, als hier mutterseelenallein rumzuhängen, herum zuwüten und Leuten wehzutun …«
»Du hast gesagt, ich kann wieder zurück!«, schrie sie.
Ich hatte es verbockt. »Nein, ich meinte, nicht in dein altes Leben zurück. Ich meinte, du kannst ein anderes Leben haben …«
Aber es war zu spät. Sie drehte jetzt völlig durch.
So langsam wurde mir klar, warum Bryce von seinen Eltern nach Antigua verfrachtet worden war. Ich wünschte, sie wären jetzt hier gewesen – oder sonst jemand –, um mich aus den Klauen dieses durchgeknallten Mädchens zu retten.
»Du hast es mir versprochen!« Heathers Stimme überschlug sich. »Du hast gesagt, ich könnte mein Leben zurückhaben! Du hast mich angelogen!«
»Heather, das stimmt nicht. Ich hab nur gesagt, dass dein Leben … Dein Leben ist zu Ende. Heather, du hast deinem Leben selber ein Ende gesetzt. Ich weiß, das ist voll scheiße, aber hey, das hättest du dir vorher überlegen müssen …«
Sie unterbrach mich mit einem Schrei, der so klang, als wäre er nicht von dieser Welt – natürlich nicht. »Ich lass das nicht zu!«, kreischte sie. »Ich lass nicht zu, dass du einfach meinen Platz übernimmst, mein Leben!«
»Heather, ich hab dir doch schon gesagt, dass ich das gar nicht will. Ich hab mein eigenes Leben, ich brauch deins nicht.«
Nachdem die Grillen und die Vögel verstummt waren, war das Plätschern des wenige Meter entfernten Springbrunnens das einzige Geräusch im Hof gewesen – bis auf Heathers Geschrei natürlich. Aber auf einmal hörte sich das Wasser ganz seltsam an. Das Plätschern war kein Plätschern mehr, sondern … ein Blubbern. Ich sah zum Brunnen: Dampf stieg von der Wasseroberfläche auf. Was an sich nicht sooo erstaunlich gewesen wäre, schließlich war es eine kühle Nacht, und der Dampf hätte dadurch entstanden sein können, dass das Wasser wärmer war als die Luft. Doch plötzlich zerplatzte eine große Luftblase mitten im Brunnen.
Mit einem Schlag wurde mir alles klar: Heather hatte das Wasser zum Kochen gebracht! Und zwar allein durch die Kraft ihrer unbändigen Wut.
»Heather«, sprach ich sie von der Bank aus an. »Heather, hör zu. Du musst dich jetzt bitte beruhigen. Wir können nicht reden, wenn du …«
»Du – hast – gesagt …« Ihre Augen waren tief in die Höhlen zurückgewichen, wie ich bestürzt feststellte. »Du – hast – gesagt – ich – könnte – von – vorn – anfangen!«
Okay, jetzt war es so weit, ich musste was unternehmen. Erst mal musste ich aufstehen – das wurde mir schon klar, bevor die Bank unter mir so heftig zu beben anfing, dass sie mich beinahe abgeworfen hätte.
Ich stand schnell auf. So schnell, dass die Bank mich nicht treffen konnte. So schnell, dass ich mich, das Überraschungsmoment ausnutzend, auf Heather stürzen und ihr einen heftigen Fausthieb aufs Kinn verpassen konnte.
Aber zu meiner Verblüffung schien sie den Schlag gar nicht zu spüren. Sie war schon zu sehr in Rage. Viel zu sehr. Meine Schläge verpufften. Die einzige Wirkung bestand darin, dass meine Fingerknöchel schmerzten. Und natürlich darin, dass Heather nur noch wütender wurde, was den Umgang mit einem sowieso schon völlig gestörten Gegenüber nicht gerade einfacher macht.
»Das«, sagte Heather mit einer tiefen Stimme, die nichts mehr von ihrem normalen Cheerleader-Zwitschern an sich hatte, »wirst du mir büßen.«
Das Wasser im Brunnen fing jetzt richtig an zu kochen. Riesige siedend heiße Wogen schwappten über den Rand. Die Wasserstrahlen, die normalerweise gerade mal einen Meter in die Höhe sprudelten, schossen jetzt zehn, fünfzehn Meter hoch und klatschten als dampfende, Blasen werfende Masse wieder herab. Wie auf Kommando stoben die Vögel in den Baumwipfeln davon und ihre schwarzen Flügel verdunkelten sekundenlang das Mondlicht.
Ich hatte das Gefühl, dass Heather es verdammt ernst meinte. Und mehr noch: Ich hatte das Gefühl, dass sie ihre Drohung wahr machen konnte. Und zwar ohne auch nur einen Finger zu rühren.
Meine Vermutung bestätigte sich in dem Augenblick, als Junipero Serras Kopf sich plötzlich vom Statuenrumpf löste. Ja, genau: Er trennte sich so mühelos vom Rumpf, als bestünde die Statue nicht aus massiver Bronze, sondern aus federleichter Zuckerwatte. Und er erzeugte dabei nicht den leisesten Laut. Eine Sekunde lang schwebte der Kopf in der Luft, und der Ausdruck des Mitgefühls, der Serras Gesicht bislang gekennzeichnet hatte, erschien mir in dem
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