Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
Hals gewickelt hatte …
Und dann sah ich, dass das »Irgendwie« eher ein Irgendwer war - zwei Hände hielten den Seetang fest.
Zwei Hände, die zu jemandem gehörten, der unter Michael im Wasser war.
Und der nicht an die Oberfläche kommen musste, um zu atmen. Weil dieser Jemand nämlich längst tot war.
Was ich nun tat, war durchaus nicht die logische Schlussfolgerung mehrerer klarer Gedankengänge. Nein, denn hätte ich wirklich nachgedacht, wäre ich wohl eher an Land sitzen geblieben und hätte das Beste gehofft. Ich kann zu meiner Verteidigung also nur anführen, dass meine nun folgende Aktion auf die vielen Jahre des Umgangs mit Toten zurückzuführen ist, in denen ich lernen musste, aus purem Instinkt zu handeln, ohne irgendwas auch nur ansatzweise zu durchdenken.
Und so sprang ich, während der Rettungsschwimmer sich sein kleines oranges Rettungsbrett schnappte und durch die Gischt auf Michael zuhechtete, von meinem Platz auf und folgte ihm.
Mag sein, dass ich Den weißen Hai ein paarmal zu oft gesehen hatte - jedenfalls hatte ich mir schon vor langer Zeit geschworen, nie tiefer als hüfthoch ins Meer zu waten. Egal in welches Meer. Und so versuchte ich mir, während ich auf die Stelle zuhielt, an der ich Michael zuletzt gesehen hatte, und mit den Füßen den Sandboden unter mir längst nicht mehr spürte, verzweifelt einzureden, der plötzliche Adrenalinstoß in meinem Körper sei allein meiner Aufregung zuzuschreiben, nicht etwa meiner Angst.
Aber geglaubt hab ich das selber keine Sekunde lang. Als ich feststellte, dass ich wirklich und wahrhaftig würde schwimmen müssen, drehte ich völlig durch. Okay, ich konnte schwimmen, oder zumindest wusste ich, wie das ging. Aber ich musste die ganze Zeit denken: Lieber Gott, mach, dass mich nichts streift, kein Aal oder sonst irgendwas Ekliges! Und dass keine Qualle mich verbrennt und kein Haifisch von unten angeschossen kommt und mich entzweibeißt!
Wie sich herausstellte, hatte ich gleich darauf mit größeren Gefahren als Aalen, Quallen oder Haifischen zu kämpfen.
Hinter mir hörte ich leise Rufe. Von Gina, CeeCee und Adam, wie ich mit dem kleinen Teil meines Gehirns registrierte, der nicht vor Angst wie gelähmt war. Sie
schrien mir zu, ich solle wieder aus dem Wasser kommen. Was ich mir dabei denken würde?! Der Rettungsschwimmer hätte die Sache doch völlig unter Kontrolle!
Aber der Rettungsschwimmer konnte die Hände, die Michael unter Wasser zerrten, ja nicht sehen und schon gar nicht bekämpfen.
Ich beobachtete, wie der Mann - der sicher keine Ahnung hatte, dass ihm so ein durchgeknalltes Mädchen nachgestürzt war - sich von der riesigen Welle vor uns sanft hochheben und viel näher an Michael heranschieben ließ. Ich versuchte, mir seine Technik abzugucken, was aber nur zur Folge hatte, dass ich den Mund voll Salzwasser bekam und zu prusten anfing. Meine Augen brannten, meine Zähne klapperten. Ohne Neoprenanzug war es im Wasser aber auch echt fies kalt.
Und dann tauchte Michael plötzlich nur wenige Meter von mir entfernt wieder auf, japsend und nach Luft schnappend, die Hände um den Strang Seegras gekrallt, der um seinen Hals gewickelt war. Mit zwei schnellen Armzügen war der Rettungsschwimmer bei ihm, schob ihm das orange Schwimmbrett hin und sagte ihm, er solle sich entspannen, alles würde wieder gut werden.
Aber »alles« dachte gar nicht daran, wieder gut zu werden. Noch während der Rettungsschwimmer auf Michael einredete, sah ich neben ihm einen Kopf auftauchen. Obwohl ihm das nasse Haar im Gesicht klebte, erkannte ich ihn sofort: Es war Josh, der Rädelsführer der RLS-Engel, dieser kleinen Geistertruppe, die auf Ärger aus war … und offenbar auch auf Schlimmeres.
Ich brachte natürlich keinen Ton heraus - bestimmt waren meine Lippen längst blau gefroren. Aber zuschlagen konnte ich noch. Ich holte also aus und ließ einen Hieb los, in dem all die Panik steckte, die ich bei dem Gedanken empfand, dass unter meinen Füßen nichts als tonnenweise Ozeanwasser war.
Ob es an meinen nassen Haaren lag, dass Josh in mir nicht das Mädchen aus dem Jimmy’s und dem Einkaufszentrum erkannte? Wie auch immer, jedenfalls achtete er überhaupt nicht auf mich.
Bis meine Faust mit seinem Nasenwurzelknochen kollidierte.
Mit einem befriedigenden Knirschen gab der Knochen unter meinen Knöcheln nach, und Josh stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus, den nur ich hören konnte.
Dachte ich zumindest. Wobei ich allerdings die anderen
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