Susanne Barden 07 - Ende gut, alles gut
oben auf den Schrank, damit ich nicht ran kann.«
Frau Glennon lachte. Als die Inspektorin und der Assistenzarzt ins Zimmer kamen, kehrte Susy zu ihren Karten zurück. Kaum hatte sie drei Minuten daran gearbeitet, da erschien eine große Frau mittleren Alters mit einem Paar Männerschuhe in der Hand und stellte sie auf ihren Schreibtisch.
»Ich heiße Cutter«, sagte sie. »Mein Mann ist heute mittag hergekommen, um sich untersuchen zu lassen, weil er an Magenbluten leidet. Bitte verstecken Sie seine Schuhe.«
»Aber warum denn?«
»Er will durchaus nicht hierbleiben. Gerade zieht er sich seine Hose an. Aber ohne Schuhe kann er nicht fortgehen.«
»Einen Augenblick!« Susy stand auf und ging mit Frau Cutter in ein Zimmer am Ende des Korridors. Herr Cutter, ein dicker Mann mit bleicher Gesichtsfarbe, ging nervös im Zimmer auf und ab. Seine Haare waren zerwühlt, seine Hosenträger baumelten herunter, und er sprach laut mit sich selber. Als er Susy sah, schrie er: »Glauben Sie nur nicht, daß Sie mich hier festhalten können! Ich fahre nach Hause! Mir fehlt überhaupt nichts. Das ist alles Unsinn!« Dann fuhr er wütend auf seine Frau los. »Wo sind meine Schuhe? Ich will fort von hier!«
»Höre, Jim«, entgegnete seine Frau zaghaft, »ich habe - deine Schuhe - dieser Schwester gegeben. Du kannst nicht .«
»Dann gehe ich ohne Schuhe!« Er riß den Schrank auf und griff nach seinem Mantel.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, Herr Cutter«, sagte Susy ruhig. »Die Untersuchung ist nicht weiter schlimm. Und Magenbluten muß nicht gleich etwas Gefährliches bedeuten.«
»Wer hat Angst?« stieß er hervor.
»Sie!«
Sprachlos starrte er sie an.
»Aber das ist wirklich nicht nötig«, fuhr Susy fort. »Wenn der Arzt Sie untersucht hat, weiß er, was Ihnen fehlt, und kann Sie heilen. Wenn Sie sich aber nicht untersuchen lassen, werden Sie stets Beschwerden haben.«
Er schwankte sichtlich, doch dann rief er: »Nein! Ich fahre sofort nach Hause!«
»Niemand wird Sie hier gegen Ihren Willen festhalten«, antwortete Susy. »Aber Sie müssen ordnungsgemäß entlassen werden. Ich werde den Arzt rufen.«
Die Aussicht, einem Arzt gegenübertreten zu sollen, der ihn schelten oder gar auslachen würde, schien Herrn Cutter gar nicht zu behagen. »Na, wenn Sie meinen ... Nun gut .«
Susy zog einen Stuhl heran. »Setzen Sie sich bitte, Herr Cutter. Wir wollen ja nur Ihr Bestes. Darf ich Ihnen ein wenig von der Untersuchung erzählen, die mit Ihnen vorgenommen werden soll? Sie werden sich wundern, wie harmlos die Geschichte ist.«
Sie lächelte ihn so warm an, daß er sich gehorsam hinsetzte. Dann erklärte sie ihm mit einfachen Worten, was ihm bevorstand. Als sie zu Ende war, sagte er: »Na schön! Tun Sie, was Sie nicht lassen können!«
Frau Cutter, die schweigend neben ihm gestanden hatte, atmete erleichtert auf. »Beruhige dich jetzt endlich, Milli!« sagte er zu ihr. »Du hast wirklich keinen Grund, dich wegen einer solchen Lappalie aufzuregen.« Zu Susy gewandt erklärte er liebenswürdig: »Meine Frau ist etwas hysterisch.«
Susy wechselte einen verständnisvollen Blick mit Frau Cutter. Es gelang ihr nur mit Mühe, ernst zu bleiben, bis sie draußen auf dem Flur war.
Als sie ins Dienstzimmer zurückkam, klingelte einer der beiden Telefonapparate. Sie hob den Hörer ab und sagte geschäftsmäßig: »Denham 2 - Barry.« In diesem Augenblick klingelte der zweite Apparat. Eine männliche Stimme an ihrem Hörer sagte: »Hier ist Dr. Westmann. Ich möchte Ihnen ein paar Anweisungen für Herrn Mul- lins geben.«
Wieder schrillte der andere Apparat. Susy spähte den Korridor entlang, aber niemand ließ sich sehen. »Einen Augenblick, Dr. Westmann!« bat sie, hob den Hörer des zweiten Apparates ab, sagte »Denham 2 - Barry. Einen Augenblick bitte!« und schrieb dann die Anweisungen auf, die Dr. Westmann ihr gab. Danach legte sie den Hörer hin und nahm den anderen auf. Sogleich läutete wieder der erste Apparat.
»Hier ist die Aufnahme«, sagte eine weibliche Stimme am zweiten. »Sie bekommen einen Patienten von Dr. Brownley - Privatstation Zimmer 14 - Schußwunde in der Schulter. Er ist soeben im Operationssaal eingetroffen.«
»Danke!« Susy griff nach dem Hörer des ersten Apparates, der unaufhörlich geklingelt hatte. »Denham 2 - Barry. Nein, ist nicht hier. Tut mir leid.« Kaum hatte sie den Hörer hingelegt, klingelten beide Telefone gleichzeitig. Nach einem verzweifelten Blick durch den stillen Korridor
Weitere Kostenlose Bücher