Sushi Für Anfaenger
erläuterte Kelvin, »er kam als Kind der Mittelschicht mit der Bürde aller möglichen Vorteile auf die Welt. Zum Beispiel die einer guten Schulbildung. Dann geben sie ihm auch noch einen M. A. in Kommunikationswissenschaften. Und dann«, er senkte die Stimme vielsagend, »dann beweist er plötzlich ausgezeichnete Qualitäten als Manager.«
»Hätte ihm fast das Herz gebrochen«, seufzte Trix. »Wahrscheinlich wird er von lauter Mittelschichts-Schuldgefühlen geplagt. Deswegen fragt er immer, ob es was zu reparieren gibt. Und deswegen hat er auch lauter Macho-Hobbys.«
»Welche Macho-Hobbys?«
»Na, zum Beispiel geht er segeln, das ist macho«, behauptete Trix.
»Aber nicht besonders typisch für die Arbeiterschicht, oder? Bier trinken, das ist nun wirklich macho«, sagte Kelvin. »Und es mit halbvietnamesischen Frauen zu treiben, das ist auch sehr machohaft.«
Ashling näherte sich vorsichtig Lisas Schreibtisch. »Ich möchte dich etwas fragen.«
»Nein, danke«, sagte Lisa und sah nicht einmal auf, »ich will heute nicht mit in den Pub kommen, nicht mit dir und Trix oder deiner Freundin Joy oder sonst jemandem. Und auch an keinem anderen Abend.«
Ein Kichern war zu hören, was Lisa freute.
»Das wollte ich auch nicht fragen.« Vor Verlegenheit verfärbte sich Ashlings Hals tiefrot. Sie hatte sich bemüht, zu einer Fremden in Dublin nett zu sein, aber so, wie Lisa es sagte, klang es, als ob Ashling sich in sie verliebt hätte. »Es hat mit der Arbeit zu tun. Wir könnten einen Kummerkasten machen, der etwas anders ist.«
»Inwiefern anders, Einstein?«
»Statt eines Psychologen lassen wie einen Hellseher die Antworten geben.«
Lisa überlegte. Keine schlechte Idee. Sehr im Sinne des Zeitgeists, wo doch jeder bestrebt war, seinem Leben eine spirituelle Dimension zu geben. Sie glaubte nicht an dergleichen - ihrer Auffassung nach lag das Glück ganz in den Händen des Einzelnen -, aber das war kein Grund, den Massen spirituelle Lösungen vorzuenthalten. »Vielleicht.«
Die Erleichterung nahm die Schärfe aus Lisas Stichelei. Seitdem Ashling bei Colleen mitarbeitete, war sie ständig in Sorge, dass sie nicht genügend Ideen beitragen konnte. Dann hatte Ted vorgeschlagen, sie solle sich überlegen, was sie sich von einer Zeitschrift wünschen würde, und plötzlich hatten sich ihr die verschiedensten Ausblicke geöffnet. Alles, was mit Tarot, Reiki, Feng-Shui, Affirmationen, Engeln, weißer Magie und Zauberei zu tun hatte, interessierte sie.
Jacks Tür öffnete sich, alle warfen sich schützend auf ihre Zigaretten.
»Lisa?«, rief Jack. »Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Natürlich.« Mit einer eleganten Bewegung stand sie vom Schreibtisch auf. Worüber er wohl sprechen wollte? Vielleicht würde er sie fragen, ob sie mit ihm ausgehen wolle.
Als er sie bat, die Tür zu schließen, wuchs ihre Erregung. Und verpuffte sofort, als er entschuldigend sagte: »Ich weiß gar nicht genau, wie ich anfangen soll.«
Er schwieg, sein attraktives Gesicht war bekümmert.
Lisa sagte gelassen: »Reden Sie einfach drauflos.«
»Wir kriegen nicht genug Anzeigenkunden«, sagte er dann unumwunden. »Niemand beißt an. Wir haben erst -« er konsultierte das Memo vor sich »- erst zwölf Prozent von unserer Zielvorgabe erreicht.«
Lisa zuckte panisch. Das war ihr noch nie passiert. Obwohl Modedesigner und Kosmetikfirmen immer Verträge außerhalb der Preislisten abschließen wollten, standen sie in der Zeit, als Lisa Chefredakteurin bei Femme war, Schlange, um ganzseitige Anzeigen zu schalten. Und wie jeder in der Zeitschriftenbranche weiß, verdient man mit Anzeigenkunden weit mehr als mit dem Verkauf der Zeitschrift an sich. So sollte es zumindest sein.
Wenn man Firmen nicht davon überzeugen kann, dass eine bestimmte Zeitschrift das richtige Medium für ihre Werbung ist, geht die Zeitschrift unter. In Lisa machte sich die Angst breit. Wie würde sie es je überstehen, wenn sie mit dem Scheitern dieses totgeborenen Projekts in Verbindung gebracht wurde?
»Es ist noch viel Zeit«, sagte sie beschwichtigend.
Zögernd schüttelte er den Kopf. Es war nicht mehr viel Zeit, das wussten sie beide. Colleen war seit über einem Monat in der Vorproduktion, und die Anzeigenkunden hatten reichlich Zeit gehabt anzubeißen.
Lisa fühlte sich zutiefst gedemütigt. Sie wollte, dass dieser Mann sie respektierte und bewunderte, stattdessen dachte er jetzt sicher, sie sei eine Niete.
»Aber wissen die nicht...?« Sie konnte sich nicht
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