Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
angeblich sein Spitzname aus Babytagen ist. Er sucht einfach ein nettes Mädchen, mit der er ein Heim und eine Familie gründen kann. Hat mir alles über die Kinder in seiner Schule erzählt, die ihn andauernd gehänselt haben, und dass sogar seine Mutter mal versuchte, ihn loszuwerden. Absichtlich! Das war bei einem Urlaub an der Goldküste. Na ja, ziemlich Dickens-artig. Ein Jammer.«
»Und – triffst du dich wieder mit ihm?«
»Machst du Witze? Dann müsste ich ja Prozac abonnieren. Ich hab Racker gesagt, ich würde demnächst als Krankenschwester nach Saudi Arabien gehen.«
»Doris, du hast doch nicht etwa mit ihm geschlafen?«
Natürlich hatte sie. Daisy wusste, dass Doris den One-Night-Stand mittlerweile bis zur Perfektion beherrschte.
»Du bist einfach unverbesserlich. Und was ist mit dem charmanten Typen, den du bei unserem Grillfest angeschleppt hast?«
Doris schnaubte. »Harry? Ach, der hängt noch in der Warteschleife. Will ständig mit mir essen gehen.« Bei ihr klang das, als handele es sich dabei um ein vollkommen veraltetes
Werbungsritual, ähnlich dem Übersenden eines Buketts.
»Und wieso gehst du nicht mit ihm aus?«, fragte Daisy.
»Sorry, ich muss Schluss machen. Kundschaft«, zischte Doris. »Alles Gute für heute Nachmittag, Schätzchen. Erzähl mir dann, wie’s lief. Und wir müssen bald mal wieder Einkaufen gehen.«
»Äh, ja«, sagte Daisy, dachte aber, äh, nein. Letztes Mal, als sie mit Doris beim Shopping war, hatte sie den Kreditrahmen ihrer Karte vollkommen ausgeschöpft und musste sich drei Monate lang belegte Brote ins Büro mitnehmen, um die Schulden wieder abzustottern. Doris war das reinste Shopping-Monster und musste andauernd miterleben, wie irgendwelche Verkäuferinnen ihre Kreditkarten zerschnippelten, weil es die Banken mit ihr satt hatten. Und Carmen meinte, sie mache immer öfter blau, was noch besorgniserregender war. Wer chronisch sein Konto überzog, sollte besser nicht seinen Job aufs Spiel setzen.
Daisy rieb sich die Stirn und warf das Handy wieder in die Tasche zurück, holte es jedoch noch einmal heraus und schaltete es ab. Nicht auszudenken, wenn es losklingelte, während ihre Klientin auf Sendung war. Gavin, der Produktionsassistent, hetzte an ihr vorbei.
»Bin bloß gekommen, um Sie und Samantha zum Set zu begleiten«, klärte er sie auf. »Alles okay-dokay?«
»Klar«, sagte Daisy, die sah, dass Samantha jetzt wieder auf dem Sofa neben ihrer Mutter saß.
Abermals folgten Mrs. Perkin, Samantha und Daisy Gavin durch eine lange Reihe von beigen Korridoren. Vor der Studiotür wurde es erneut hektisch: Ein Tonassistent steckte Samantha ein Mikro und eine kleine Batterie an, die Garderobenfrau überflog kurz das rosa Kleid und zeigte sich zufrieden; eine Make-up-Assistentin tupfte noch einmal halbherzig mit einer Puderquaste über Sams Gesicht.
Dann führte sie der Aufnahmeleiter – Steven? Stuart? – durch die Tür in das dämmrige Studio. Sie mussten sich ihren Weg vorsichtig über dicke Kabel hinweg suchen und sich zwischen sperrigen grauen Kameras hindurchschlängeln, bis sie schließlich den Podestbereich erreichten, wo Margie Myers auf einem Gästesofa vor einem Tischchen mit zwei Wassergläsern Hof hielt.
»Wir sind gleich hier in der Ecke. Viel Spaß!«, flüsterte Daisy Samantha zu.
Margie rauschte von ihrem Thron herab und ergriff Samanthas Hand.
»Samantha! Oder darf ich dich Sam nennen? Superduper! Ich kenne dein reizendes kleines Gesicht jetzt schon so lange aus der Werbung. Ja, diese Tee-Werbespots! Einfach superduper! Endlich können wir einmal ein wenig miteinander plaudern.«
Samantha murmelte etwas, das Daisy nicht verstand.
»Ach, du kleiner Scherzbold! Natürlich muss nicht jeder die Sendung anschauen. Die Hauptsache ist, du bist jetzt hier bei mir. Husch, husch, hinauf in mein kleines Reich oder mein ganz persönliches Wohnzimmer, wie ich es zu nennen pflege.«
Margie führte sie die Stufen hinauf und Sam ließ sich unbehaglich auf dem royalblauen Samtsofa nieder. Mit katzenhafter Anmut nahm die Talk-Masterin auf ihrem ledernen Klubsessel Platz, bog die Beine elegant ab und verkreuzte die Fußgelenke. Sie war mittlerweile zu einem integralen Bestandteil des Frühstücksfernsehens geworden, und mitunter benutzte man sie sogar als Metapher für besondere Gewissenhaftigkeit: »Das ist so sicher wie Margie Myers und ›Hello Sydney!‹«. Sie hatte in zehn Jahren nicht eine einzige Sendung ausgelassen – ein Rekord, den sie
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