Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Dunkelheit.
Tom war die ganze Nacht durchgefahren und erwartete sie bereits, als sie am nächsten Morgen die Treppe heruntergestolpert kam. Eine furchtbare Nacht lag hinter ihr, voller Albträume und immer wieder Phasen, in denen sie sich ruhelos wälzte. Er saß mit Nell am Küchentisch, trank Kaffee, und Chump ruhte huldvoll auf seinen Füßen.
»Aber was macht der Hund im Haus? Das ist doch gegen die Regeln«, sagte Daisy verwundert.
Nell zuckte die Schultern. »Was soll’s? Er kann ruhig bleiben. Darf sogar auf dem verdammten Sofa schlafen, wenn’s ihn glücklich macht.«
Tom führte Daisy zum Tisch und zwang sie sanft, eine Tasse Kaffee zu trinken und einen Teller mit Corn-Flakes zu essen.
Das war eine der Szenen, die Daisy im Licht der Straßenlampe sah: wie sie zu dritt um den grünen Laminattisch saßen und grimmig die durchgeweichten Frühstücksflocken hinunterwürgten. Chump schlich von einem zum anderen,
auf der Suche nach einem Happen oder etwas Zuwendung, ohne dabei dem einen oder anderen den Vorzug zu geben. Es fielen kaum Worte und wenn, dann nur kurze. Daisy bemerkte mit ferner Verwunderung, dass ihr nicht einmal Toms Schlürfen, mit dem er immer seine Frühstücksflocken aß, auf die Nerven ging. Sie war zutiefst erleichtert und aller Streit vergessen. Stattdessen ließ sie sich von der Vertrautheit seiner Gegenwart umhüllen wie von einer Wolldecke.
Eine weitere Szene, an die sie sich erinnerte, war der Anruf bei den anderen beiden Stooges, wozu sie Toms Handy benutzte, um Nells Telefonrechnung zu schonen. Nell war bereits zum Krankenhaus gefahren. Tom wollte noch duschen, bevor er auch Daisy hinbrachte, und so hatte sie Zeit, sich auf die alte braune Samtcouch im Wohnzimmer zu kuscheln und Carmen anzurufen. Beim Reden zupfte sie an den losen Fäden der Armlehne herum.
»Daisy, meine Lebensretterin!«, rief Carmen fröhlich, als sie den Hörer abgenommen hatte.
»Vielleicht doch nicht«, fiepte Daisy mit dünner Stimme.
Als Carmen von Rob erfuhr, verwandelte sie sich sofort in eine Mutterglucke. »Ach, du armer, armer Schatz! Aber lass dich bloß nicht unterkriegen. Die bringen heutzutage die erstaunlichsten Sachen zustande – zumindest haben sie jetzt alle Tests gemacht und wissen, woran sie sind.«
Daisy schniefte. »Stimmt, aber wenn du ihn sehen könntest, wie er da liegt …«
»Ja, das ist schlimm. Ich weiß noch, wie meine Oma im Krankenhaus lag und wir sie immer mit meinen Eltern besucht haben. Ganz schön hart …«
Daisy dachte, dass eine Oma eigentlich nicht dasselbe war, wie wenn der eigene Vater im Sterben lag, sagte aber nichts. Carmen neigte eben, wie übrigens viele Menschen, dazu, immer gleich mit eigenen Erfahrungen aufzuwarten,
die bewiesen, dass man genau verstand, was der andere durchmachte. Als ob derjenige sich dann besser fühlte.
»Und«, sagte Daisy, tief Luft holend, »wie läuft’s bei dir so?«
»Fantastisch.« Carmen senkte die Stimme ein wenig, also vermutete Daisy Ally und Ben irgendwo in der Nähe. »Es kommt mir vor, als wäre ich in einen ruhigen, sonnigen Tag hinausgetreten. Ich genieße alles, selbst das Geplapper der Kinder, das Herrichten der Pausenbrote und die langweiligen Ausflüge in den Park jedes Wochenende, damit die Kinder dort Rad fahren können. Ich fange an, John richtig zuzuhören, wenn er wieder mit seinen Geschichten von der Bank anfängt. Mit ein bisschen gutem Willen werden sogar alltäglichen Dramen interessant.«
»Aber du gibst jetzt doch das mit der Tierärztin nicht auf, oder?«, fragte Daisy.
»Himmel, nein! Aber du weißt schon, was ich meine: kommt immer auf die Sichtweise an. Wenn man sich auf das konzentriert, was einem gefällt, tritt das Unangenehme automatisch in den Hintergrund. John hat gestern Abend sogar zugegeben, dass er mich in meiner beruflichen Neuorientierung nicht so unterstützt hat, wie er vielleicht hätte sollen. Er sei eifersüchtig gewesen, weil ich noch mal auf die Uni gehe und einen zweiten Abschluss mache, wo er nicht mal einen hat. Also haben wir das jetzt auch unterm Eheteppich hervorgeholt. Das einzig Blöde an der Sache ist: ich hasse rote Haare und wasche mir jeden Tag den Kopf, um diese Scheußlichkeit wieder loszuwerden. John hält mich schon für einen Reinlichkeitsfanatiker.«
»Und wie hast du das mit dem flotten Ewan geregelt?«
»Ach, war ganz einfach. Stellt sich raus, dass er rote Haare auch nicht leiden kann. Steht nur auf Blondinen. Aber genug von mir, wir sollten von dir
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