Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
eines Apartments und ein Job bei einem schicken Frauenmagazin mit einer kleinen Auflage und enorm hohen Anzeigenpreisen. Kaum die glitzernde Zukunft, die sie sich vorgestellt hatte, als Worte wie Pulitzer, Oscar, Booker, BAFTA und Nobel noch nicht vollkommen abwegig erschienen. Ebenso wenig wie die Vorstellung, einen gut aussehenden, humorvollen Mann mit Integrität und unschlagbaren Qualitäten im Bett kennen zu lernen. Wie lange konnte man sich glaubhaft einreden, dass man nur wählerisch war?
Sie lehnte sich an den Küchentresen und starrte müßig hinunter
auf die klebrige Masse in der Plastikschüssel. Dabei fragte sie sich zum hundertsten Mal, ob sie in Leo »verliebt« war (was immer das auch heißen mochte, wie Prince Charles einmal so unromantisch bemerkt hatte). Ganz sicher lüsterte sie nach ihm, war von ihm fasziniert, doch glaubte sie auch, seine Schwächen deutlich sehen zu können. Vor allem seine Besessenheit von seiner Karriere. Nun, zumindest war es eine Karriere mit Schmackes, versuchte sie sich ein wenig kläglich zu trösten. Man stelle sich vor, er wäre ein Hühnchenkastrierer oder gar ein Vertreter für Abführmittel. Es gab einfach Themen, die konnte man nicht stundenlang über sich ergehen lassen.
Doch seit ungefähr zwei Jahren mahnte sie eine leise, ziemlich weinerliche Stimme, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte, wenn sie wirklich noch Kinder haben wollte. Leo gab allerdings keinerlei Hinweise von sich, dass er an etwas so Stinknormalem wie Kinder und einem Kombi mit Hundematte Interesse hatte. Er stand kurz vor dem Durchbruch und würde nächstes Jahr um diese Zeit wahrscheinlich schon nach Los Angeles verschwunden sein. Aber es ließ sich nun mal nicht leugnen, dass ihr Herz aufgeregt wummerte bei der Vorstellung, ihn bald wieder zu sehen.
Als die Quiche im Ofen war (die Klümpchen würden beim Backen schon verschwinden, hoffte sie), machte sie es sich auf einem ihrer cremefarbenen Kunstledersofas gemütlich, das Laptop und etwas Arbeit aus der Redaktion vor sich auf dem Couchtisch. Sollte er sie ruhig beim Arbeiten vorfinden. Das würde ihn wenigstens daran erinnern, dass er nicht der Einzige mit einer tollen Karriere war.
Als sie heute Nachmittag gerade mit der üblichen Begeisterung das Büro hatte verlassen wollen, war sie vom Colonel aufgehalten und »auf einen kleinen Schwatz« ins Allerheiligste gezwungen worden. »Colonel« war Clares und Fionas Spitzname für die Chefredakteurin von Verve , Helen Hogan.
Sie war eine vertrocknete, zähe alte Pflaume, besaß jedoch eine Persönlichkeit, die alle um sie herum förmlich umpustete. Darüber hinaus leitete sie die Verve -Redaktion, als wäre sie ihre ganz persönliche Sklavenkolonie.
Während Clare unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat, setzte sie der Colonel ohne Umschweife in Kenntnis, dass sie diesen Monat die »Liebe Marion« -Seite übernehmen müsse, da die übliche Schreiberin sich wieder einmal liften ließ.
»Marion« war noch nie in der Redaktion erblickt worden, doch das Bild auf der Kummerkastenseite zeigte eine attraktive grauhaarige Dame Anfang fünfzig, die unerklärlicherweise einen weißen Arztkittel anhatte (vielleicht wollte man den Verve- Leserinnen ja suggerieren, dass die Kummerkastentante über eine Art Doktortitel verfügte).
Clare hasste es, wenn der Colonel sie zwang, solch triviale Aufgaben zu übernehmen. Immerhin war sie eine ernsthafte Journalistin, nicht irgendeine Bürokraft, der man alles unterjubeln konnte, einschließlich der Kummerkastenseite, die nicht mal ihren Namen tragen würde.
»Ich bin eine Ihrer wichtigsten Mitarbeiterinnen. Sie sollten mich nicht verschleißen«, hatte sie den Colonel ermahnt.
Der Colonel nahm sie daraufhin mit ihrem messerscharfen Blick ins Auge.
»Meine Liebe, wie sagt man so schön? Wahre Größe ist eine Sache der inneren Einstellung. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe Wichtigeres zu tun, als mir den Kopf über Ihre Wichtigkeit zu zerbrechen.«
Clare zuckte bei dem Gedanken an diese Szene unweigerlich zusammen. Sie hätte es besser wissen müssen und sich nicht mit dem Colonel anlegen sollen – wieder einmal. Der Colonel hatte Verve vor etlichen Jahren höchstpersönlich gegründet. Ihr Traum war, eine anspruchsvolle Zeitschrift für die moderne Frau zu kreieren. Alles sollte man darin finden,
von Modetips für den makellos schlanken Körper der Verve- Leserin (die Verve- Frau nahm niemals zu, nicht einmal nachdem sie ihre zwei
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