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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allmen und die Libellen
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wo der
Frottiertuchballen lag. Er ragte ein wenig aus der Hecke heraus, so
unsorgfältig hatte er ihn in seinem gestrigen Zustand versteckt. Ein Wunder,
dass ihn niemand entdeckt hatte.
    Gerade als er ihn herausgenommen hatte, ging das Licht
über der Eingangstür an. Allmen rannte, so gut er es mit seinem lädierten Fuß
konnte, zum Wagen zurück, legte die Beute auf den Rücksitz und startete.
    Er war noch keine fünf Minuten unterwegs, als ihn Hirts Limousine
mit Boris am Steuer mit hoher Geschwindigkeit überholte.
     
    Am Stadtrand auf der Einfahrtsstraße sah er schon aus
einiger Entfernung eine Polizeisperre. Ein roter Leuchtstab winkte ihn an den
Straßenrand. Ein Uniformierter kam auf den Wagen zu und wartete vor der
Fahrertür darauf, dass Allmen das Fenster herunterließ.
    Allmen wusste nicht, wie das ging. Er fingerte an allerlei
in der Tür eingelassenen Knöpfen herum, aber das Fenster blieb zu.
    Der Uniformierte winkte einen Kollegen herbei. Allmen versuchte
gestikulierend zu erklären, dass er sich nicht gut auskenne mit dem Wagen.
    Jetzt fasste einer der Uniformierten an sein Pistolenhalfter.
Der andere wollte die Tür öffnen. Doch eine automatische Absperrvorrichtung war
aktiviert, das Fahrzeug war von außen nicht zu öffnen. Allmen hob die Hände
über den Kopf.
    Er sah, wie der eine Uniformierte lachend etwas zum
anderen sagte. Dann nahm er sein Notizheft und schrieb etwas darauf. »Motor
abstellen!«, konnte Allmen lesen, als der Beamte den Zettel gegen die Scheibe
drückte. Er gehorchte, der Beamte öffnete die Tür.
    »Nicht mein Auto«, gestand Allmen als Erstes.
    Er musste aussteigen. Die Beamten leuchteten mit ihren
Taschenlampen in den Wagen. Auf dem Frottiertuchbündel auf dem Rücksitz blieben
beide Lichtkegel stehen.
    Allmens Herz raste. Die beiden wechselten einen Blick.
Dann knipsten sie die Lampen aus und widmeten sich Allmen.
    Sie kontrollierten seine Papiere und die des bmws . Seinen
ramponierten Fahrausweis müsse er innerhalb der nächsten vierzehn Tage erneuern,
befahlen sie ihm. Dann musste er blasen. Er schaffte es gerade noch mit null
Komma vier. Der Wein zum Abendessen wirkte offenbar noch etwas nach.
    Schließlich ließen sie ihn gehen. »Lieber null Promille«,
riet ihm der eine Uniformierte, »mit einem fremden Auto, das man nicht kennt.«
    Er versprach es für die Zukunft und fuhr langsam und
übervorsichtig nach Hause.
     
    Früher hatte Allmen aus Gründen der Eleganz keinen
Computer besessen. Wenn er etwas brauchte, wozu man einen Computer benötigte,
hatte er sein Sekretariat. Ja, in seinen guten Zeiten hatte er über ein
Sekretariat verfügt. Wenn man dessen Nummer wählte, meldete sich eine
Frauenstimme mit: »Johann Friedrich von Allmens Büro?« Mit Akzent auf dem A.
Eine Assistentin hatte seine Korrespondenz erledigt, seine Reisen gebucht und
sich um das Finanzielle gekümmert. Nach dem Niedergang seines Imperiums, wie
er es manchmal in einer Anwandlung von Selbstironie nannte, hatte er auch
diese Aufgaben, so gut es ging, an Carlos delegiert. Carlos besaß einen
Computer, den er vor allem dazu benutzte, mit seiner Familie in Guatemala in
Kontakt zu bleiben. Auch einen Tintenstrahldrucker hatte er, und er kam auch
für die Kosten des Internetzugangs auf.
    Carlos war es auch, der am nächsten Tag mit seiner
Digitalkamera die fünf Libellenschalen fotografierte. Er war ein ganz
leidlicher Sachfotograf, denn in der Zeit, als er sich um Allmens Orchideen
gekümmert hatte, war es sein Hobby gewesen, sie auch zu fotografieren.
    Auf dem Flügel baute er mit einem Stück hellgrauem
Fotohintergrund eine kleine Hohlkehle und lichtete, ungeschickt assistiert von
seinem Chef, die fünf Schalen ab.
    Carlos ging hinauf in seine Mansarde und kam zehn Minuten
später stolz mit dem Resultat zurück. Das milchige Licht des bedeckten Tages,
das ins Glashaus fiel, und der kleine Spot, den Allmen auf die Objekte hatte
richten müssen, hatten fast professionell anmutende Bilder entstehen lassen.
Nur die Qualität des billigen Tintenstrahldruckers ließ zu wünschen übrig.
    Allmen legte die Bilder in ein Mäppchen und dieses in eine
dünne schwarze Ledermappe. Carlos räumte die Fotoinstahation ab.
    Jetzt standen die fünf Galle-Schalen in Reih und Glied auf
dem Stutzflügel und spiegelten sich im schwarzen Lack. Beide betrachteten sie
nachdenklich.
    »Don John, una sugerencia, nada mas, eine Anregung,
mehr nicht.«

»Ja, Carlos?«
    »Besser, die Sachen bleiben nicht hier stehen.«

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