Svantevit - historischer Roman (German Edition)
nicht genau wusste, was er von dieser Situation halten sollte und sich daher seine Begeisterung in Grenzen hielt.
"Er stammt aus der Nähe von Quedlinburg und spricht daher so gut deutsch, wie wir auch", fuhr der Vater fort, "Bruder Bernhardt unterrichtet an der Klosterschule, die sich in Vösgy befindet. Er möchte …"
Der Mönch unterbrach die Rede, indem er seine Hand auf den Arm des Vaters legte.
"Vielleicht bringe ich das Anliegen besser selbst vor", sagte er mit angenehm sonorer Stimme, "In der Klosterschule in Vösgy sind eine Reihe Jungs in deinem Alter. Wie würde es dir gefallen, dort einmal vorbeizuschauen?"
Adalbert überlegte eine Weile und sagte dann in bestimmtem Ton: "Ich spiel lieber mit meinen Katzen!"
Die Männer blickten sich an.
"Aber …", erwiderte der Vater ungeduldig, doch wieder hielt Bruder Bernhardt ihn zurück.
"Es geht nun auch nicht nur um das Spielen", sagte der Mönch, "Wie du dir denken kannst, wird in der Klosterschule vor allem Wissen vermittelt. Soweit ich gehört habe, bist du ein außerordentlich begabter Junge."
Er lehnte sich vertrauensselig vor, was Adalbert im gleichen Maße zurückweichen ließ.
"Ist dieses Vösgy weit entfernt?", wollte der Junge wissen, wobei das Misstrauen deutlich herausklang.
"Nein", versuchten die beiden Männer sogleich zu beschwichtigen.
"Gut!", meinte Adalbert zufrieden, "Dann kannst du ja hier herkommen und mich in meinem Zimmer unterrichten. Am besten vormittags. Doch da hast du sicher keine Zeit, weil du Dienst in der Klosterschule tust. Also nach dem Mittag muss ich etwas ruhen, aber danach würde es gehen!"
Die Männer blickten sich erneut überrascht an.
"Kann ich jetzt wieder in den Garten gehen?", fragte Adalbert brav.
"Nein, das kannst du nicht!", sagte der Vater laut, "Du bist ein kluges Kind und so wollen wir dir reinen Wein einschenken."
Bruder Bernhardt hielt sich jetzt zurück.
"Es ist uns nicht gelungen, einen Privatlehrer anzustellen und wie es aussieht, ist dies in der hiesigen Gegend wohl auf Dauer ein vergebliches Unterfangen. Nun bietet sich in der Klosterschule für dich die einmalige Gelegenheit, eine niveauvolle Erziehung zu erhalten, dies umso mehr, als dein Lehrer, der Bruder Bernhardt, die deutsche Sprache beherrscht und dir über gewisse Anfangsschwierigkeiten hinweghelfen könnte."
"Vösgy ist nun aber doch so weit entfernt, dass man nicht jeden Tag hin und zurück gelangen kann. Du müsstest also bei uns Quartier beziehen. Willst du es wenigstens erst einmal eine Weile versuchen?", fragte Bruder Bernhardt und bemühte sich wieder um ein freundliches Lächeln.
"Verfügt das Kloster über eine Bibliothek?", fragte Adalbert und die Augen in dem braven Knabengesicht musterten den Mönch misstrauisch.
"Wir nennen in der Tat einige Bücher unser Eigen", antwortete Bruder Bernhardt etwas verwundert über diese Frage des Zehnjährigen.
"Also gut", sagte Adalbert schließlich, "Wann soll es losgehen?"
Die Schüler nahmen hinter ihren Bänken Platz, nachdem sie vom Hof in den Raum gestürmt waren. Sie hatten gerade eine kleine Pause hinter sich und waren nun etwas ausgelassener als noch am frühen Morgen, wo man ihnen die Müdigkeit deutlich angemerkt hatte.
"Ruhe bitte!", rief Bruder Bernhardt, der sich hinter ein Pult stellte.
Die Jungs, es waren derer zehn im Alter von acht bis zwölf Jahren, beruhigten sich aber nur langsam. Sie wussten um die Geduld Bruder Bernhardts, der fast nie zum Stock griff oder gar schallende Ohrfeigen verteilte, wie dies manche anderen Mönche schon wegen Kleinigkeiten taten. Neben dem Pult stand ein Junge, der sich neugierig umblickte und die Aufmerksamkeit der anderen Kinder erregte, welche langsam ihre Unterhaltungen einstellten.
"Ich möchte euch einen neuen Schüler vorstellen", sagte Bruder Bernhardt, nachdem es etwas stiller geworden war, "Er heißt Adalbert und kommt aus Braunschweig."
Schweigendes Staunen erfasste die bis eben noch recht lebhaften Knaben.
"Wer weiß, wo dieses Braunschweig liegt?", fragte Bernhardt.
"Auf Fünen?", riet einer der Jungen.
"Nein! Es ist schon etwas weiter weg."
"Im Heiligen Land!", rief nun ein anderer und wurde sofort ausgelacht, obwohl es niemand besser zu wissen schien.
"Also, Braunschweig liegt in Sachsen", erklärte Bruder Bernhardt schließlich, "Auch ich stamme ursprünglich von dort und habe euch schon hin und wieder davon berichtet. In Sachsen regiert ein Herzog, ein mächtiger Mann mit dem Namen Heinrich, den man
Weitere Kostenlose Bücher