Svantevit - historischer Roman (German Edition)
und die Augen getrocknet hatte, suchte er Bruder Bernhardt in dessen Zelle auf. Er erzählte ihm von seinem misslichen Erlebnis.
"Wie lange lebst du bereits hier?", wollte er schließlich wissen.
Bruder Bernhardt musste eine Weile überlegen.
"Es mag jetzt gut zehn Jahre her sein, seit es mich in dieses Kloster verschlagen hat", gab er zur Antwort.
"Und sieht man dich immer noch als Fremden an?", fragte Adalbert interessiert.
"Wo denkst du hin! Vom ersten Tag an war ich willkommen, so wie es bei Christen sein soll, die einen Glaubensbruder bei sich empfangen. Würde morgen ein Bruder aus Irland oder Italien in unser Kloster eintreten, so würde ich ihn auch nicht schlechter oder besser behandeln als die anderen Mitglieder des Ordens."
Diese Haltung imponierte Adalbert, wie er überhaupt in letzter Zeit großes Interesse an der klösterlichen Gemeinschaft der Mönche gefunden hatte.
"Vielleicht werde ich auch einmal Mönch", sagte er und schien seinen Kummer vergessen zu haben, "Ich glaube, das könnte mir gefallen."
Andererseits hatte der Vorfall auf dem Klosterhof seinen Ehrgeiz geweckt. Er würde den anderen schon noch zeigen, dass er ihnen in nichts nachstand, auch wenn er von Geburt kein Däne war.
"Kennst du noch andere dänische Sagen außer jenen, die die uns bereits vorgetragen hast?", fragte er.
"Leider nein, aber wie du weißt, stamme ich auch nicht von hier. Vielleicht solltest du einmal die anderen Mönche fragen, die sich womöglich erinnern, derlei Geschichten gehört oder gar gelesen zu haben", antwortete Bruder Bernhardt, etwas betrübt darüber, die Wissbegier des gelehrigen Schülers nicht befriedigen zu können.
"Gibt es hierüber keine Bücher, so wie die Gesta Saxonicae des Widukind, nur über die Taten der Dänen?", fragte Adalbert verwundert.
"Dergleichen ist mir nicht bekannt. Von einem solchen Werk hätte ich sicher schon einmal gehört."
"Dann muss sich jemand finden, der diese Geschichten und Überlieferungen zusammenträgt."
Bruder Bernhardt begann zu lachen.
"Stell dir das nicht so einfach vor. Dazu braucht man Jahre, wenn nicht Jahrzehnte und man muss ein außerordentlich kluger und belesener Mensch sein, um solch eine Aufgabe zu bewerkstelligen. Dies ist nicht nur eine Frage des Willens sondern vor allem auch der Befähigung. Zudem benötigt man tatkräftige Unterstützung."
"Nun, man soll eine Arbeit nicht scheuen, nur weil sie schwer erscheint", erwiderte Adalbert altklug, was Bruder Bernhardt wiederum belustigte.
"Du hast mich aufgefordert, ich möge dir mitteilen, falls ich einen Wunsch habe", sagte Adalbert und fuhr sogleich fort, "Ich möchte gerne Zugang zu den Büchern, die ihr hier im Kloster in eurem Besitze habt. Ich weiß, dass dies den Schülern, zumal den jüngeren unter ihnen, eigentlich nicht zusteht. Aber …"
"Ich denke, dies dürfte kein Problem sein, solange du nur einige Regeln im Umgang mit den wertvollen Schriften beachtest", sagte Bruder Bernhardt erfreut.
Bald sah man Adalbert regelmäßig in der Klosterbibliothek über ein Buch gebeugt, stets begleitet von Bruder Bernhardt, der immer wieder helfend eingriff, wenn sein Schüler auf unbekannte Wörter stieß oder sonst etwas nicht verstand. Die anderen Mönche sahen dem Knaben, dessen Füße vom Stuhl nicht auf den Boden reichten, zunächst lächelnd zu, waren dann aber von der Hartnäckigkeit beeindruckt, mit welcher er sich jeden Nachmittag an sein Studium machte, während die anderen Kinder draußen spielten. Bald nannten sie den kleinen schriftbegeisterten Sachsen scherzhaft, aber liebevoll Saxo Grammaticus – ein Name, unter welchem er in die dänische Geschichte eingehen sollte.
Gegen die Obodriten
Die Schiffe näherten sich mit geblähten Segeln in rasanter Fahrt dem Ufer. Zufrieden blickte Absalon um sich und ließ den Eindruck dieser gewaltigen Flotte auf sich wirken. Alles schien wie geplant zu laufen – während Heinrich mit seinen Truppen von Westen bei den Obodriten einfiel, würden die Dänen dies von Norden her tun.
König Waldemar kam heran und nickte Absalon mit entschlossenem Gesicht zu.
"Heute wollen wir Rache nehmen! Sie sollen büßen für ihre unverfrorenen Angriffe auf unsere Küsten, für Mord, Raub, Plünderung und Brandschatzung. Dies Unheil soll sich nun gegen die Obodriten selbst wenden!"
"Wir werden ein für allemal dafür sorgen, dass dieses Piratenunwesen aufhört! Es gilt, klare Verhältnisse zu schaffen!", stimmte Absalon zu.
Von weitem sah
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