Svantevit - historischer Roman (German Edition)
haben wir schon ganz andere klein gekriegt, was, Lothar?"
Er schaute seinen Bruder an, der außer seinem peinlichen Hustenanfall die ganze Zeit keinen einzigen Laut von sich gegeben hatte.
"Eine große Hilfe warst du mir allerdings auch nicht!"
Lothar, welcher der einzige war, auf den er sich bedingungslos verlassen konnte, guckte so mitleiderregend ergeben durch sein Triefauge, dass Konrad ihm ermunternd auf die Schulter klopfte.
"Aber, wenn es darauf ankommt, dann kann ich mit dir rechnen, das weiß ich ja! Hast du überhaupt schon irgendetwas erfahren, ob die Sache mit dem verdammten Schimmel gut abgelaufen ist?"
"Ich habe noch nichts gehört, aber wenn mir etwas zu Ohren kommt, sage ich es dir sofort! Wie viel hast du eigentlich bekommen für den Gaul?"
"Jedenfalls soviel, dass der Klugscheißer, der sich obendrein noch für sehr witzig hält, kein so gutes Geschäft gemacht hat, wie er meint, selbst wenn er unsere Pferde behalten sollte, was ich ihm nicht rate!"
Er schaute sich nach allen Seiten um, ob sie unbeobachtet sind, öffnete den oberen Verschluss seines schmutzigen Leinenhemdes und zog an einem Lederhalsband ein recht großes Amulett heraus. Lothar, dem er es hinhielt, wog es prüfend in der Hand.
"Gold!", hauchte er mit freudig geweiteten Augen.
"Aber sage in Gottes Namen niemandem etwas davon, auch nicht Rüdiger!"
"Vertraust du ihm nicht mehr?"
"Ich weiß nicht, sicher ist sicher. Er gibt sich in letzter Zeit viel lieber mit allem möglichen Pack, als mit uns ab. So, als ob wir wirklich auf einer Stufe mit diesem Pöbel stünden. Wo ist er jetzt zum Beispiel überhaupt?"
"Bei den Holzfällern. Ich habe ihn den ganzen Tag überall mit anpacken sehen, aber zuletzt war er bei den Holzfällern. Ich glaube es macht ihm fast Spaß, mit anderen Menschen zu arbeiten und etwas zu schaffen. Jedenfalls kann er so das Gefühl haben, dazu zu gehören."
" Was? Bist du noch bei Trost? Das hört sich ja fast an, als ob du neidisch bist!"
Konrad baute sich dicht vor seinem jüngeren Bruder auf und versuchte mühsam die Lautstärke seiner Stimme zu drosseln, indem er die Worte wütend zwischen den Zähnen hervor presste.
"Ich weiß jedenfalls, wo ich hingehöre und noch besser, wohin nicht! Wenn du hier zwischen Pferdemist dein Leben verbringen und verrotten willst, dann geh doch zu Rüdiger! Mein Weg ist das jedenfalls nicht!"
"So habe ich das doch gar nicht gemeint! Ich bin doch auf deiner Seite Konrad!"
Der fühlte sich, nachdem er die noch von Ronald aufgestaute Wut, wenn auch mal wieder an Lothar, endlich abgelassen hatte, bedeutend besser.
"Dann ist ja gut! Du weißt, dass ich immer für klare Verhältnisse bin und wenn ich sicher sein kann, dass auf dich zu zählen ist, dann ist es ja gut. Was diesen langen Fatzke betrifft, der uns die Laune hier überhaupt erst verdorben hat, dessen Zeit wird auch einmal kommen, wo er strauchelt oder stolpert und dann werde ich zur Stelle sein, um ihm den letzten Stoß zu versetzen!"
"Ja, dann werden wir es ihm zeigen!"
Ritt ins Ungewisse
Als Ronald mit den Pferden zu ihrem Wagen zurückkehrte, war alles soweit vorbereitet, dass sie, nachdem die Tiere gesattelt und gezäumt worden waren, sofort aufbrechen konnten. Die Dunkelheit begann sich jetzt schon recht deutlich über die grasbewachsene Ebene und den anschließenden Wald zu senken. Überall loderten die Lagerfeuer auf und bildeten kleine flackernde Lichtinseln in dem immer düster werdenden Gelände. Sobald sie den Weg zwischen den Bäumen erreichten, umschloss sie der Schatten des Waldes mit endgültiger Finsternis. Der Weg war zwar sehr breit, aber die Bäume links und rechts so riesig, dass er selbst tagsüber in ein Dämmerlicht getaucht war. Das würde sich erst wieder etwas ändern, wenn Mond und Sterne aufgingen. Bis dahin konnte man nur versuchen, sich so gut wie möglich an das fehlende Licht zu gewöhnen, denn selbstverständlich konnten sie keine Fackeln oder Leuchten entzünden, ohne Gefahr zu laufen, schon von weitem auf sich aufmerksam zu machen.
Mit der einsetzenden Nacht, merkten alle, dass man in der vorherigen kaum geschlafen hatte. Auch die schrecklichen Erlebnisse kamen jedem, der sich zur Ruhe legte und zum Schlaf zurückzog, wieder mit grauenhafter Deutlichkeit in den Sinn. So kam es, dass viele noch länger, als sie es nach solch einem Tag normalerweise taten, gemeinsam, wenn auch schweigend, an den Lagerfeuern saßen, bis sie die Müdigkeit schließlich und endlich
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