Svantevit - historischer Roman (German Edition)
Gerade beschwerten sich Lübecker Kaufleute bei mir über die Unsicherheit der Gewässer vor Rügen. Da nützen ihnen all meine Handelsprivilegien nichts, wenn ihre voll beladenen Schiffe gekapert werden. Der Stich trifft letzten Endes mich."
"Wir sind uns demnach einig", frohlockte Waldemar, "Die Kosten eines Waffenganges dürften sich am Ende für uns beide lohnen."
"Sollen ja wahre Schätze angehäuft haben. Was allein in der Burg Arkona verwahrt wird, würde wohl manchen Fürsten neidisch machen, wenn man den Erzählungen glauben darf."
"Das glaubt ruhig! Auch am Handel verdienen die Priester, gerade wie bei uns die Kirche am Zehnten. Dem Spuk sollten wir bald ein Ende bereiten!"
Inzwischen hatte man eine kleine Burganlage erreicht, in welcher Heinrich der Löwe Quartier bezogen hatte. Davor waren Zelte aufgeschlagen, da sein großes Gefolge nicht in den Mauern unterkam. Heinrich winkte einen seiner Höflinge heran.
"Lasst im Saal auftragen!", und an Waldemar gewandt: "Ich hoffe, Ihr leistet mir Gesellschaft."
"Tut mir leid, ich habe bereits eine andere Einladung, der ich zu folgen versprochen habe. Kaum dass ich mir die Zeit für unseren kleinen Spaziergang nehmen konnte", antwortete Waldemar.
"Ja, die Franzosen sind keine schlechten Gastgeber. Doch nach ein paar Tagen ist einem deren Geschwätz auch über. Wenn ich all den Grafen die Ehre meines Besuches gewähren würde, die mich mit süßen Worten hierzu eingeladen haben, wäre ich bis ans Ende meiner Tage mit nichts anderem beschäftigt. Da sei Gott vor."
Und so zog sich Heinrich der Löwe in die Burg zurück, um mit seinen engsten Vertrauten und Beratern an einer Tafel voll burgundischer Köstlichkeiten zu speisen.
Der Herzog berichtete von der Unterredung mit dem dänischen König. Er lobte dessen Entschlossenheit, lies aber keinen Zweifel daran, dass er die Dänen nicht als gleichwertige Bundesgenossen ansah, sondern sich eher nach Belieben ihrer bedienen wollte.
"Das könnte Waldemar natürlich so passen, in Rügen seinen Fuß an Land zu setzen."
Ein Berater beugte sich vertraulich zum Herzog.
"Ihr solltet diese Dänen nicht unterschätzen. Sie sind ein recht gewitztes Völkchen, das bei oberflächlicher Betrachtung harmlos und gar im Wesentlichen unwichtig erscheint. Doch versteht es dieser eigenwillige Menschenschlag durchaus, in den entscheidenden Momenten seine Interessen durchzusetzen."
Heinrich blickte ungläubig.
"Gerade dieser Waldemar", fuhr der Berater fort, "hat doch bereits früher großen Nutzen daraus ziehen können, dass man ihn maßlos unterschätzte. Denkt nur, wie er König geworden ist. Wer hätte ihm dies zuvor zugetraut? Außerdem kann er auf kluge Berater zählen, wie diesen Bischof Absalon, welchen man als durch und durch ausgekocht bezeichnen könnte, wenn dies nicht blanke Untertreibung wäre."
"Pah! Was sind mir schon diese Dänen?! Allenfalls nützlich!", erregte sich der Herzog, "Und deine Warnung vor diesem Bischof ist ja geradezu rührend", spöttelte er, wenngleich ihm bewusst war, dass auf dänischer Seite nichts geschah, worauf Absalon keinen Einfluss hatte, "doch pflege ich meine Gegner nicht im klerikalen Fußvolk zu suchen."
"Nein, nein!", beeilte sich der Berater zu versichern, "Wer den Kaiserthron anstrebt wird sich natürlich nicht …"
"Den Kaiserthron?", fragte der Löwe überrascht, "Dort sitzt doch mein geliebter Vetter Friedrich!"
"Dem der Herrgott ein langes Leben schenken möge. Doch hat der Allmächtige jedermanns Erdendasein begrenzt und daher …"
Bei Heinrichs wechselnden Launen konnte man schnell einmal etwas Falsches sagen.
"Schon gut", lachte Heinrich der Löwe aus voller Kehle, "Ich sehe, wir verstehen uns!", und mit diesen Worten gab er einigen anwesenden Musikern das Zeichen, für die Gesellschaft aufzuspielen.
Im folgenden Jahr wurde König Waldemar ein Knabe geboren, welchem er den Namen Knud gab. Kaum ein Jahr alt fand dessen Hochzeit mit Richenza von Bayern statt, der minderjährigen Tochter Heinrichs des Löwen. Knapp vier Jahre später verstarb Richenza, so dass Knud im zarten Alter von acht Jahren ein zweites Mal heiratete, wiederum eine Tochter Heinrichs des Löwen, welche Gertrud hieß, sechzehn Jahre alt und bereits Witwe war.
KAPITEL VI
Die bedrückende Wahrheit
Nur einmal hatte Radik nach seiner Heimkehr gelächelt, nämlich als ihm seine Schwester um den Hals gefallen war, um atemlos zu berichten, was sie in dem letzten Jahr, als ihr
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