Svantevit - historischer Roman (German Edition)
großer Bruder auf der Reise war, so alles erlebt hatte. Kein noch so kleines Ereignis schien sie auszulassen und ihr gelang es dadurch, Radik für einige Zeit abzulenken. Ansonsten wirkte er abwesend, in sich gekehrt, saß oft wie versteinert da und sein Blick war leer und ermattet.
Immer wieder hatte er von Womar vernommen, dass Kaila im Sommer plötzlich einige Tage verschwunden gewesen sei und dann als sie wieder auftauchte irgendwie gehetzt und verfolgt wirkte und aufgeregt mitteilte, dass sie schnell fortmüsse. Natürlich hatte Womar wissen wollen, was denn geschehen sei und wohin Kaila überhaupt wolle, aber Kaila meinte nur, es wäre besser, er wisse nichts davon und sie würde sich wieder melden. Auf dem Pferd sei sie dann davongeritten, nur das Nötigste in ein großes Tuch geschnürt und habe seitdem nichts mehr von sich hören lassen.
"Und du weißt nicht, wohin sie gegangen sein könnte?", fragte Radik verzweifelt zum wiederholten Male, worauf Womar mit nicht geringerer Verzweiflung erneut den Kopf schüttelte.
´Was kann bloß dahinter stecken?´
Radik grübelte pausenlos. Es war niemand da, den er hätte fragen können. Womar war der Einzige, dem sich Kaila anvertraut hätte, aber er war auch völlig ahnungslos.
Als Radik die Tante Ludisa aufsuchte, brach diese nur in jämmerliches Schluchzen aus, was Radik nun auch nicht weiter half.
Zwei Tage ritt Radik durch die Gegend und fragte Fährleute, ob sie sich erinnern könnten, im letzten Frühjahr ein Mädchen mitgenommen zu haben, mit dunkelrotem Haar und ein Pferd habe sie bei sich geführt.
"Im letzten Frühjahr sagtest du? Weißt du, wie viele Menschen wir hier jeden Tag übersetzen. Ich könnte mich wohl kaum an sie erinnern, wenn sie erst letzte Woche Gast auf meinem bescheidenen Boot gewesen wäre", meinte ein Fährmann, der mit seinem Kahn nach Stralow pendelte.
Ähnlich waren überall die Reaktionen, einige schüttelten über die Frage auch nur ungläubig den Kopf.
Vor ihrem übereilten Aufbruch war Kaila noch nach Vitt geeilt und hatte Radiks Bruder etwas außerhalb des Dorfes abgefangen, um ihn zu bitten, ab und an nach Womar zu schauen. Es wunderte Radik ohnehin, dass sie ihren alten Großvater einfach so zurückgelassen hatte. Aber auch Ivod hatte sie nichts Weiteres mitgeteilt.
´Es muss etwas vorgefallen sein, was große Furcht in ihr ausgelöst hat´, war er sich sicher.
Vor allem interessierte ihn natürlich, wo sie jetzt stecken könnte. Er machte sich Sorge um sie, denn es war beileibe nicht ungefährlich, als junge Frau allein unterwegs zu sein.
"Wo bist du nur?", flüsterte Radik, als er allein im Wald auf einem Baumstumpf saß, genau an der Stelle, wo er sie das erste Mal gesehen hatte.
Er presste das Gesicht in seine Hände.
Immer wieder gab er sich selbst die Schuld, dass er sie überhaupt zurückgelassen hatte und unfähig war, ihr jetzt zu helfen. Dies bedrückte ihn derart, dass ihm seine ganze Umgebung egal zu werden schien.
Der Heringsmarkt war nun fast zu Ende und Radik hatte sich noch immer nicht bei Pritzbur und Rubislaw blicken lassen, weshalb die beiden ihn eines Tages aufsuchten. Als Radik sie sah, wirkte er ehrlich überrascht, als habe er sie tatsächlich innerhalb einiger Tage völlig vergessen, sogar ein freudiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
Blitzartig erinnerte Radik sich wieder an das Angebot Pritzburs, jederzeit in dessen Dienste treten zu können, gar später selbst als Handelskaufmann zu reisen. Was hielt ihn jetzt noch hier? Doch die Verlockung dieser Möglichkeit leuchtete nur kurz auf in der Finsternis der Sinnlosigkeit.
´Davonlaufen? Und wenn Kaila morgen zurückkehrt oder übermorgen? Ich kann sie doch nicht aufgeben!´
"Ich werde nicht mit euch mitkommen!" sagte Radik in bestimmten Ton.
Pritzbur schaute etwas verwundert.
"Diese Hoffnung habe ich ohnehin aufgegeben. Wir wollten nur mal nach dir schauen. In zwei Tagen geht es wieder zurück nach Krakau. Hast du dich hier wieder eingelebt?"
"Es gibt eine Menge Arbeit, wenig Zeit für andere Dinge!"
Radik blieb sehr wortkarg und natürlich bemerkten Pritzbur und Rubislaw sofort, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
"Ob du mir ein letztes Mal bei den leidigen Rechnungen helfen kannst?", fragte Pritzbur schließlich.
"Gut. Lass es uns sofort erledigen", antwortete Radik mit tonloser Stimme.
Schnell brachte man die Sache hinter sich und Radik verabschiedete sich, nicht ohne zuvor eine gute Reise zu wünschen, vorgebracht wie
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