Svantevit - historischer Roman (German Edition)
erreichen und Christian gab ihm ein wenig Schwung. Nachdem sie beide auf dem Pferd saßen, wies der Junge in die Richtung, die Christian einschlagen sollte und zu dessen Leidwesen führte der Weg weiter von der Weggabelung weg. Nun ja, es würde schon nicht allzu lange dauern.
Bald kamen sie aus dem Wald heraus zu einer grasbewachsenen Fläche, auf der ein größeres Gehöft stand. Dahinter konnte man das Meer sehen, welches tosend gegen die steile Felswand brandete. Eine junge Frau mit rotbraunen Haaren trat aus dem Haus. Sie trug eine große Schüssel unter dem Arm und wollte gerade in einem flachen Holzbau verschwinden, als sie die Ankömmlinge bemerkte. Trotz der derben, etwas schmutzigen Kleidung und dem verschwitzten Gesicht, bemerkte Christian sogleich, wie hübsch sie war.
Der Junge sprang vom Pferd und lief zu ihr. Er sprach mit der jungen Frau, wobei Christian die Worte wegen der Entfernung nicht verstehen konnte. Sie setzte die Schüssel ab und untersuchte den Kopf des Kindes.
Christian war gar nicht wohl dabei. Sein schlechtes Gewissen meldete sich und am liebsten hätte er mit seinem Pferd kehrt gemacht und wäre davongeritten. Aber zum einen hätte dies sein Gewissen kaum erleichtert und zum anderen musste er sich eingestehen, dass er nur ungern den Blick von der jungen Frau nehmen wollte.
Doch schon wurden seine Befürchtungen wahr und sie kam ihm mit deutlich verärgerter Miene entgegen.
"Was fällt dir ein, dein Pferd wie von Sinnen durch den Wald zu hetzen!", rief sie ihm zu, "Es schert dich wohl gar nicht, ob andere dabei zu Schaden kommen!"
"Nein, nein … ich wollte doch nicht … äh …"
Christian wusste nicht, was er antworten sollte. Ihn irritierten die harschen Worte etwas, immerhin dürfte ihr kaum entgangen sein, dass er ein Edelmann war.
"Ihr hohen Herren glaubt, selbst der Wald gehöre euch allein!"
Der Junge zupfte seiner Mutter am Ärmel und flüsterte ihr wieder etwas zu. Offenbar war ihm ihr Schimpfen nicht recht. Christian musste zugeben, dass er auf seinem Pferd vielleicht wirklich eine etwas überhebliche Figur abgab und stieg hinunter.
"Ich habe die Blutung mit einem Tuch gestillt. Es ist wirklich nur ein Kratzer", sagte er.
"Sag bloß, du hast ein seidenes Taschentuch geopfert. Hoffentlich hat sich dein wertvolles Pferd nichts getan. Es könnte sich den Huf am Kopf meines Sohnes verletzt haben."
"Dein Spott ist ungerecht, wenngleich ich zugeben muss, etwas leichtsinnig gewesen zu sein."
"Nun also, wenigstens zu dieser Erkenntnis bist du gelangt. Dann wollen wir dich nicht länger aufhalten. Vor kurzem schienst du es noch sehr eilig gehabt zu haben."
"Ich kann es dir ja ohnehin nicht Recht machen. Wenn ich dir Geld als kleine Wiedergutmachung anbiete, empfindest du dies als herrische Geste. Reite ich aber nur mit entschuldigenden Worten davon, gilt es dir als kalte Gefühllosigkeit."
Sie blickte ihn an und ein Lächeln flog über ihr Gesicht, was er am wenigstens erwartet hatte.
"Was also gedenkt der junge Herr in dieser ausweglosen Situation zu tun?"
Der Junge zwinkerte ihm gleichsam verschwörerisch zu, als gelte es, mit einer List die schlechte Laune der Mutter zu vertreiben.
"Dein Korb ist ja ordentlich gefüllt. Wie wäre es, wenn du mir ein paar von den Pilzen …?"
Als Christian dann hinter sich Pferde herannahen hörte, drehte er sich rasch um und freute sich, seine Kameraden wiederzusehen.
"Hier hast du dich also versteckt!", rief Ronald ihm entgegen, während er von seinem Pferd sprang, "Wir haben dich wohl mit unserem Tempo abgehängt."
"Im Gegenteil! Ich war zu schnell für euch!"
"Mir scheint vielmehr, er hatte hier eine Verabredung."
"Darf man erfahren, wer die Schöne ist?" fragte Ronald, während er der jungen Frau um die Hüfte fasste.
Sie stieß ihn unsanft weg, worüber die anderen sogleich lachten.
"Lass das!", sagte Christian zu Ronald.
Sie wandte sich schroff ab, nahm den Jungen bei der Hand und entfernte sich.
Aus dem Haus kam ein dicker Mann mit schütterem Haar, wischte sich verschlafen über das Gesicht und blinzelte in die Sonne. Es war nicht klar, ob er gerade aus gewöhnlichem Schlaf erwacht oder betrunken war, jedenfalls hatte ihn offensichtlich der Lärm der Männer vor die Tür treten lassen. Mit großen, forschen Schritten, die allmählich bedächtiger wurden, kam er ihnen entgegen. Er hielt einen großen Knüppel in der rechten Hand. Seine kleinen Fuchsaugen wanderten aufgeregt hin und her, als verstünde er nicht, was
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