Sweetgrass - das Herz der Erde
Du weißt genau, was passiert, wenn du ein uneheliches Kind bekommst. Selbst wenn es als ein Blakely akzeptiert wird, wird es sein Leben lang einen Makel tragen. Ich weiß, das klingt hart”, fügte er hinzu, als er Mary June scharf den Atem einziehen hörte. “Aber so wird es sein. Das böse kleine Geheimnis deines Kindes wird man sich hinter vorgehaltener Hand zuflüstern, sobald es einen Raum betritt. Ganz abgesehen von
deinem
Ruf. Der wäre ruiniert.”
“Es wird sich sowieso herumsprechen. Das wird sich nicht vermeiden lassen.”
“Das wird es nicht. Wir müssen allerdings mit Mama und Daddy sprechen.”
“Nein, Press. Dafür schäme ich mich viel zu sehr. Sie werden mich nur noch mehr hassen.”
“Aber nein, sie werden im Gegenteil getröstet sein, dass ein Teil von Tripp weiterlebt. Außerdem werden sie es noch mehr als wir geheim halten wollen, und dabei können sie uns helfen. Niemand wird je darauf kommen, dass das Kind nicht von mir ist.”
“Adele schon.”
Seine Miene verfinsterte sich. “Sie wird sich ihre Gedanken machen.”
“Sie wird sich
sicher
sein.”
“Aber wir werden einfach bei unserer Version bleiben. Adele würde nie irgendetwas in Umlauf bringen, was uns oder unserer Familie schaden würde. Mary June, wir dürfen kein Wort davon nach außen dringen lassen, sonst wird es sich wirklich herumsprechen. Und dann weiß es bald die ganze Welt, und das dürfen wir nicht zulassen.”
“Glaubst du wirklich, dass wir es geheim halten können?”
“Du warst im Sommer hier zu Besuch und hattest eine kleine Affäre mit Tripp. Kaum jemand weiß jedoch, dass ihr ein Paar wart. Wir heiraten sofort, und wenn dann das Baby ein bisschen zu früh zur Welt kommt, wird man schlimmstenfalls annehmen, dass wir es reichlich eilig hatten. Verdammt, Mary June, da wären wir ja wohl kaum die Ersten in dieser Gegend hier!”
“Aber, Press”, wandte sie vorsichtig ein und suchte nach Worten. “Ich liebe dich nicht. Jedenfalls nicht so.”
Er zog eine Grimasse und kommentierte dieses Eingeständnis mit einem kurzen Kopfnicken.
“Ich weiß”, erwiderte er und sah sie direkt an. “Doch das ist in dieser Situation nicht das Wichtigste. Wir müssen die Umstände bedenken und tun, was am besten für das Baby ist. Es ist das Kind meines Bruders, das da in dir wächst. Ich werde es lieben, als wäre es mein eigenes. Und mit der Zeit wirst du mich so lieben können wie ich d…”
Sie legte einen Finger auf seinen Mund. “Bitte, sag es nicht.”
Er nahm ihre Hand in seine. “Mary June, wirst du mir die Ehre erweisen, meine Frau zu werden? Ich werde dir ein guter Ehemann sein, und ich schwöre dir, ich werde deinem Kind ein guter Vater sein.” Er lächelte plötzlich. Und sein Lächeln wirkte jungenhaft und hoffnungsfroh. “Heirate mich, Mary June. Wir werden uns und dem Baby ein gutes Leben bereiten.”
Sie dachte eine ganze Weile nach, bevor sie ihm ihre Antwort gab. Es war die einzige Möglichkeit, die sie hatte, darin gab sie ihm Recht. Sie musste tun, was für ihr Kind das Beste war. Sie sah in seine Augen, die so blau waren wie der Himmel über ihnen, auf die wilden Locken, die sich nicht bändigen ließen. Der liebe Preston …
“Mary June”, sagte er wieder, beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Seine Stimme zitterte ein bisschen. “Sag einfach ja.”
Sie schloss die Augen, legte ihre Hand auf seine Brust und ließ sich fallen. Und wieder war Preston sofort da, um sie aufzufangen.
“Ja”, antwortete sie schließlich.
Und während Mary June sich weiter an ihrer Schaukel festhielt und sanft hin- und herschwang, saß Preston wieder im Gras und zupfte Halme des langen Wildgrases aus dem Sandboden. Er sah zur Sonne hinauf, die hoch über dem geliebten Fluss stand. Eine Windböe wehte vom Wasser herüber und strich durch Mary Junes Haar, das ihr über die Schultern fiel.
Hätte ihnen in diesem Moment jemand zugesehen, hätte er sie für ein Liebespaar gehalten, das sich im Schatten einer alten Eiche am Ufer die Zeit vertrieb.
Ein paar Monate später, als die Hochzeit bekannt gegeben wurde, erinnerten sich tatsächlich einige der Gäste daran, dass sie die beiden an jenem Tag dort zusammen am Fluss sitzen gesehen hatten, und sagten, dass Preston und Mary June von Anfang an ein perfektes Paar gewesen waren.
Mama June schlief lange. Als sie aufwachte, sangen die Vögel, und die strahlende Sonne hatte alle dunklen Wolken des vergangenen Abends vertrieben. In der
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