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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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dir. Und du besitzt die Frechheit zu fragen, ob es das wert war?”
    Trotz allem konnte Mama June nicht anders, als Adele zu bemitleiden. Es war Unrecht gewesen, sie vom Familienbesitz auszuschließen.
    “Warum hast du nichts davon erzählt? Wenn du zu mir gekommen wärst und erzählt hättest, wie weh dir das tut, hätten sich die Dinge vielleicht ganz anders entwickelt. Warum hast du nicht das Haus als Sicherheit für den Kredit verlangt? Wenn du das getan hättest, hätte ich es dir doch gegeben!”
    Adele setzte sich auf und riss sich die Sonnenbrille vom Gesicht. Ihre schwarzen Augen sprühten vor Zorn. “Dich fragen?”, stieß sie mit zitternder Stimme hervor. “Du hättest es mir gegeben? Es war
mein
Haus! Wer bist
du
denn, dass du mir geben könntest, was eigentlich
mir
gehören müsste!”
    Mama June saß bewegungslos in ihrem Stuhl und verstand allmählich. Es gab keinen Weg, der zu einer Einigung mit Adele geführt hätte. Nach Adeles Überzeugung war sie auf schreckliche, unverzeihbare Weise betrogen worden. Darin konnte Mama June ihr zum Teil sogar zustimmen. Doch wenn sie in diesem Sommer etwas gelernt hatte, dann dass die Vergangenheit vergangen war und man in der Gegenwart leben musste. Adele würde nie verstehen, dass Preston das Land nicht zusammenhielt, um es zu besitzen, sondern darum kämpfte zu erhalten, was er an spätere Generationen weitergeben wollte. Er hatte ihr nie wehtun wollen.
    “Also war das alles deine Art, die Dinge zu regeln?”, fragte sie ohne Groll. “Aber was hättest du denn getan, wenn du gewonnen und Sweetgrass bekommen hättest?”
    “Ich hätte es verkauft”, erwiderte Adele tonlos und ohne jede Regung in der Stimme.
    Mama June überlief ein Schauer, und sie sah zum Himmel empor, an dem sich bedrohliche Wolken zusammenzogen. Der Sturm kam. “Weißt du, was wirklich traurig ist?”, sagte sie resümierend. “Du sagst, dass du zur Familie gehören wolltest. Und das hast du über den Besitz eines Hauses erreichen wollen.” Sie schüttelte den Kopf. “Adele, eine Familie ist kein Haus. Und auch kein Stück Land. Preston hat versucht, das Land zusammenzuhalten, um seine Familie zusammenzuhalten, und es ist ihm nicht gelungen. Die Blakelys macht nicht nur dieses Land hier aus. Es ist Teil unserer Geschichte, schon, aber es macht
uns
nicht aus. Zu einer Familie gehört man durch die Beziehungen zwischen den Menschen. Und ich fürchte, das ist es, was du verloren hast.”
    Adele wandte ihr das Gesicht zu. “Ich bedaure es, dass ich dich damals nach Sweetgrass gebracht habe.”
    Diese Worte trafen Mama June tief. “Es hat Zeiten gegeben, da habe ich das auch bereut”, erwiderte sie aufrichtig. “Aber ich glaube, dass Sweetgrass mein Schicksal war und ist, in guten wie in schlechten Zeiten.”
    Adele stand auf, griff nach ihrer Handtasche und ging ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter. Dieses Mal lief Mama June ihr nicht hinterher. Am Auto drehte sie sich noch einmal zu Mama June um.
    “Sag meinem Bruder auf Wiedersehen von mir”, rief sie. “Sag ihm, er soll nicht auf mich warten, denn ich werde nicht mehr kommen. Sag ihm …” Ihre Augen füllten sich mit Tränen. “Mir ist es verdammt noch mal egal, ob er mir vergibt – ich vergebe ihm nicht!”
    Damit stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon.
    Mama June beobachtete, wie das schicke Auto zwischen den Bäumen verschwand.
    Und die ersten Regentropfen fielen.

21. KAPITEL
    “S olange es das Meer gibt, so lange wird es auch Sweetgrass geben.”
    (Ruth Singleton, Korbmacherin)
    Wie sie es gewohnt waren, saßen Mama June und Preston nebeneinander auf ihrer Veranda und schauten zu, wie die Sonne ihren täglichen Weg nahm und langsam am Horizont verschwand. Ein weiterer Tag war vorüber. Mama June legte ihre Hand auf seine, eine vertraute Geste, aber auch ein wenig traurig. In den vergangenen Jahren war immer er es gewesen, der seine Hand auf ihre gelegt hatte. Nicht, dass das eine große Rolle spielt, sagte sie sich. Was in diesem Herbst ihres Lebens zählte, war allein, dass ihre Hände noch immer vereint waren.
    Im Haus war es angenehm still. Morgan und Kristina waren nach Blakely’s Bluff hinausgefahren, um dort die Nacht zu verbringen, und Nan war nach Hause zurückgekehrt, um ihre Angelegenheiten dort zu regeln. Eine Scheidung war nie eine einfache Sache, und ihre würde da keine Ausnahme sein.
    “Sie sind alle ausgeflogen”, sagte sie. “Mal wieder.”
    Sie konnte hören, wie ein Lachen in seiner

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