Sweetgrass - das Herz der Erde
Plantagenbesitzern völlig egal, wo die Sklaven begraben wurden, solange es kein wertvolles Land war. Und die Plantagenbesitzer haben ihnen bestimmt keine anständigen Grabsteine angeboten. Die gibt es so gut wie gar nicht. In Afrika wurden den Toten bei Begräbnissen ein paar persönliche Stücke aufs Grab gelegt, und dann wurde alles dem Lauf der Natur überlassen. Das haben unsere Leute damals so gemacht.”
“Wenn in der Gegend ein Friedhof ist, ist dieses Land gesegnet”, sagte Mama June. “Dann muss es erhalten werden. Egal, was aus dem Rest des Besitzes wird.”
“Könnte so ein Friedhof Adele nicht von ihren Plänen abhalten?”, fragte Nan und blickte aufgeregt in die Runde.
Morgan kratzte sich am Kopf und überlegte, was sich mit dieser Informationen anfangen ließ. “Lasst uns nicht zu schnell vorpreschen. Ich habe schon mal gehört, dass Entwicklungsprojekte verzögert wurden, weil jemand wegen Gräbern auf dem betreffenden Grund und Boden Einspruch eingelegt hat. Doch im Allgemeinen waren das nur Verzögerungen. Meistens kommt es vor Gericht zu einem Vergleich, und die Gräber werden einfach verlegt. In South Carolina sind Friedhöfe gesetzlich geschützt, aber dieser Schutz kann ganz unterschiedlich ausfallen. Ich werde mich morgen kundig machen. Trotzdem bezweifle ich, dass uns das langfristig helfen kann. Adele wird sich durch ein paar Gräber sicher nicht von ihren Plänen abhalten lassen.”
“Ein paar Gräber?”, wiederholte Nona und riss die Augen auf. “Das sind eine Menge Gräber, mein Junge. Wir reden hier von vielen Generationen von Sklaven. Hier gab es mal eine riesige Plantage mit vielen Arbeitern. Ich schätze, dass es sich um mehrere hundert Gräber handelt!”
Die anderen starrten Nona erschrocken an. Morgan konnte sich nicht vorstellen, dass so viele Gräber auf dem Besitz existieren konnten, ohne dass es irgendwo festgehalten worden wäre – doch ebenso gut konnte es stimmen. Morgan hatte in der ersten Klasse gelernt, dass in den Carolinas und Georgia die Sklaven zu Tausenden umgekommen waren, vor allem Kinder. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass es entlang der Küste viele unmarkierte Friedhöfe gab.
“Kannst du mich da hinbringen?”, fragte er und unterdrückte die Aufregung, die in ihm aufstieg.
Elmore legte seine Hand auf den Tisch und sprach mit Würde. “Das kann ich wohl. Ich würde alles dafür tun, damit die Grabruhe unserer Vorfahren nicht gestört wird.”
* * *
Am nächsten Tag marschierte Morgan in die Küche, trug einen Koffer in der Hand und bewegte sich so zielstrebig wie ein Mann, der eine Mission zu erfüllen hat. Sein Ausflug zu dem Friedhof an diesem Morgen hatte ihn in seiner Hoffnung bestärkt. Geräuschvoll setzte er den Koffer auf dem Fußboden ab und umarmte Nona schwungvoll.
“Gib mir einen Kuss, Süße. Der alte Junge macht sich auf nach Norden!”
Als er sich zu ihr hinunterbeugte, nahm ihn sofort ihr Duft nach Vanille gefangen. Nona schnalzte erstaunt mit der Zunge, als er ihr einen dicken Kuss auf die Wange drückte. “Wo willst du hin?”
“Ich fahre nach Columbia und werde eine Hand voll Bürokraten davon überzeugen, dass wegen diesem Friedhof eine offizielle Untersuchung eingeleitet werden muss.”
Maize, die gerade ihre Mutter besuchte, sah ihn skeptisch an. “Und wozu das Ganze?”, fragte sie argwöhnisch.
Er grinste sie an. “Hallo, Maize. Na ja, erstens ist es der richtige Weg. Zweitens sind wir dabei, den Besitz zu verlieren, und haben damit keinen Einfluss mehr auf die Sache. In diesem Moment ist ein Kaufangebot auf dem Weg hierher.”
“Für dich ist das nur irgendein Friedhof. Denk noch mal nach. Es gibt Organisationen, die sich um die Erhaltung alter Friedhöfe kümmern. Ich kann ein Komitee bilden, das juristische Schritte einleitet, damit die Gemeinde diesen Friedhof zurückbekommt. Wir werden bestimmt nicht zulassen, dass ein Bulldozer den Friedhof unserer Vorfahren plattmacht!”
In dem Moment kam Mama June in die Küche, auf dem Arm das Tablett mit Prestons Frühstück. Sie machte große Augen und blickte einen nach dem anderen verständnislos an.
“Moment mal, Maize”, sagte Nona. “Niemand hat etwas von Bulldozern gesagt, die unsere Gräber einebnen werden!”
“Eigentlich hat sie Recht. Diese Gefahr besteht tatsächlich”, gab Morgan zu. “Das wäre nicht der erste Fall, in dem Häuser direkt über Gräbern errichtet werden. Ich will erreichen, dass man Archäologen hierher
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