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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Schock widerspiegelte – und ein anderes schmerzliches Gefühl … was nur? Niederlage? Wut?
    “Oh mein Gott, vergib mir”, betete sie und schloss fest die Augen. Sein Schlaganfall war allein ihre Schuld.
    Sie hätte schwören können, dass jemand ihr ihren Namen ins Ohr flüsterte. Mama June fuhr herum und sah mit suchendem Blick von der Veranda zur Auffahrt.
    Hinter dem grünen Rasen machte die Auffahrt vor dem Haus eine Kurve, die zur Eichenallee führte. Blackjack machte ein paar Schritte, schnüffelte am Boden, riss plötzlich den Kopf hoch und spitzte die Ohren. Mama Junes Herz setzte aus. Ihr stockte der Atem, und mit ihren Händen umklammerte sie die Brüstung, als sie durch das Baumgrün die leuchtend roten Lampen des Rettungswagens erblickte.
    Blackjacks Bellen schreckte die Familie auf. Das Gelächter der Jungen brach ab, und sie drehten ihre Köpfe zur Straße.
    “Er ist wieder zu Hause”, stieß Mama June leise und mit heiserer Stimme hervor.
    Morgan und Nan beeilten sich, ihren Vater zu begrüßen. Mama June blieb wie angewurzelt auf der Veranda stehen und hielt sich an der Rückenlehne eines Korbstuhls fest. Sie schloss die Augen und fühlte sich mit einem Mal, als wäre sie gar nicht da.
    “Mary June?”
    Sie öffnete die Augen und war froh, Nonas Gesicht zu sehen. Nona, die sie so gut kannte. Nona, die ihr in den schwersten Stunden beigestanden hatte. Nonas dunkle Augen konnten hinter ihre Fassade schauen.
    “Was ist denn los?” Sie kam näher und legte eine Hand auf ihren Arm.
    Mama June wusste, dass es die Angst war, die sie zurückhielt – Angst davor, was diese Heimkehr bedeuten würde. “Ach, ich bin nur ein bisschen nervös, das ist alles.”
    “Weswegen, Liebes?”
    “Nervös, ob ich alles richtig gemacht habe. Was wenn Adele doch Recht hat? Ich bin nicht ausgebildet. Und wenn ich versage? Es geht um so viel. Er hat Besseres verdient als mich.”
    “Er will niemand anderen als dich, Mary June! Du bist die Einzige, die er je gewollt hat. Es gibt niemand Besseren als dich. Und jetzt lauf endlich los! Dein Mann ist wieder da! Was soll er denn von dir denken, wenn du nicht draußen bist, um ihn zu begrüßen?”
    Sie drückte fest Nonas Hand, nickte ihr zu, atmete einmal tief durch und ging los – dahin, wo ein neuer Lebensabschnitt begann.
    Während die Sanitäter Preston die Treppe zum Haus hinauftrugen, kam die Familie aufgeregt näher, und alle begrüßten ihn beim Namen, was Blackjack mit freudigem Bellen quittierte.
    Willkommen zu Hause! – Wir haben dich vermisst! – Schaut mal, wer wieder da ist!
    Die Haustür ging auf, und alle gingen hinein. Nur Blackjack blieb zurück und kratzte wimmernd an der Tür. Als sich keiner um ihn kümmerte, warf er seinen Kopf zurück und jaulte herzzerreißend. Auch er wollte nach dieser endlos langen Trennung endlich wieder bei seinem Herrchen sein.
    Im Wohnzimmer betteten die Sanitäter Preston auf das Krankenhausbett in der Mitte des Raumes und versorgten ihn. Die gute Stimmung wandelte sich langsam, als die Begeisterung über seine Heimkehr verflog und die bittere Realität ihren Platz einnahm. Nan hielt sich mit den Jungen im Hintergrund. Chas und Harry wirkten erschrocken angesichts der Gebrechlichkeit ihres Großvaters, die jetzt in der gewohnten Umgebung seines Zuhauses noch klarer zutage trat. Morgan blieb in der Nähe der Tür. Mit hängenden Schultern und den Händen tief in den Taschen vergraben stand er da, sein Blick unergründlich.
    Mama Junes Blick schweifte noch einmal durch den Raum, bevor sie ihren Mann ansah. Sie bemerkte sofort, wie verwirrt er war. Die Stimmen der anderen, die sie als wohltuende Melodie wahrnahm, mussten auf ihn beängstigend und fremd wirken.
    Vom Kronleuchter strahlte das Licht erbarmungslos auf Preston hinab, der sich wie ein Insekt unter dem Mikroskop vorkommen musste. Mama June musterte ihn. Da war nichts mehr von dem stolzen Patriarchen, der Respekt einflößend und kraftvoll am Kopfende des Tisches gesessen hatte. Dieser so seltsam fremd wirkende, hagere Mann lag hilflos da, den rechten Arm über die Brust gelegt und die Finger verkrampft. Obwohl jeder Muskel seines Körpers angespannt war, zitterte er unkontrollierbar, und seine Augen blickten voller Panik von links nach rechts. Mama June beobachtete ihn und spürte eine tiefe Traurigkeit in sich aufsteigen.
    Langsam kam Kristina näher und blieb am Fußende des Bettes stehen. Die Kraft, die von Kristinas Schweigen ausging, war beinahe mit

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