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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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er der beklemmenden Enge seines Elternhauses entfliehen können.
    Mit seiner Rückkehr aber waren auch seine Albträume zurückgekehrt. Nicht einmal die Betäubung durch Jim Beam oder Johnny Walker, die zu trinken er sich längst angewöhnt hatte, konnte sie davon abhalten, ihn im Schlaf heimzusuchen. Er beabsichtigte, seine Herkunft zu akzeptieren und es noch eine Weile auf Sweetgrass auszuhalten, doch um seines Seelenfriedens willen mied er seinen Vater und dessen Krankenzimmer und suchte Zuflucht in der Einsamkeit langer Morgenspaziergänge über den Besitz.
    In der Weite des Landes hatte er das Gefühl, frei atmen zu können. Wenn er durch die unberührte Natur lief, konnte er seine Wurzeln nicht verleugnen. Wie die Zugvögel und die Schmetterlinge hatten die Blakelys dieses Land bewohnt, eine Generation nach der anderen, und hatten jeweils ihre Spuren hinterlassen, bevor sie gegangen waren. Aber das Land war geblieben – grün, lebendig und so einladend und fruchtbar wie eine süß duftende Frau.
    Für ihn war das Lowcountry ein Land der Gegensätze. Die Landschaft hatte einen zerstörerischen Hurrikan nach dem anderen überstanden, hatte feuchte Schwüle ertragen, die sich in der Lunge breitmachte und einem das Atmen fast unmöglich machte, und hatte gegen gierige Mücken angekämpft, die sich hungrig durch Fell, Federn und Stoffe bissen.
    Ebenso aber war es eine Landschaft, die aus ihrem Boden und ihren Gewässern auch den Ärmsten der Armen eine großzügige Tafel bereitete. Es war eine Landschaft, die einer bunten Schar von Zugvögeln reichlich Nahrung bot, die den Zauber des Mondlichts im feinen Geflecht der Moose einfing, und eine Landschaft, die mit der unvergleichlichen Pracht ihrer Sonnenuntergänge Abend für Abend Gottes Schöpfung offenbarte.
    Das Lowcountry war ein Garten Eden, und wer einmal in den Apfel gebissen hatte, für den war die Vertreibung aus diesem Paradies die Hölle auf Erden. So wie Morgan spürten die meisten Söhne dieses Landes, wie der Lauf der Gezeiten sie zurück nach Hause zog. Er hatte die Liebe zu diesem sonnenverwöhnten Land, die Erinnerung, die jedem Blatt auf Sweetgrass innewohnte, in seinem Blut wie die Gene, die die Augenfarbe festlegten. Oder eine krankhafte Veranlagung.
    Und so rannte Morgan. Jeden Morgen berührten seine Füße beim Laufen den Boden, auf dem schon seine Vorfahren gegangen waren, bis ihm der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief. Er rannte, um Abstand zu bekommen zu dem, was ihn im Schlaf heimsuchte. Er rannte in der trügerischen Hoffnung, dass es ihn irgendwie Frieden finden ließ. Aber egal wie lange er rannte oder wie weit, es war niemals weit genug.
    Jeder Weg, den er nahm, führte ihn wieder zurück nach Hause.
    Als er um die Vorderseite des Hauses bog, sah er Kristina, die in einem Beet neben dem Küchenhaus arbeitete. Der alte Garten war ein wild wucherndes Durcheinander, auf der Rückseite begrenzt durch eine niedrige Ziegelmauer und vor dem Haus durch einen Holzzaun. Ein schmaler Weg aus Ziegelsteinen in Fischgrätenmuster unterteilte den Garten in Quadrate. In der Mitte stand eine Sonnenuhr aus Kupfer, die über die Jahre von hellgrüner Patina überzogen worden war.
    Kristina kniete auf dem Weg und kämpfte vornübergebeugt mit dem üppig wachsenden, hartnäckigen Unkraut. Sie trug Jeans und ein altes weißes Hemd, das sie bis zu den Ellbogen aufgekrempelt und am Bauch zusammengeknotet hatte. Die breite Krempe ihres Strohhuts schützte ihre Schultern. Er lief über den schmalen Weg zu ihr hin und betrachtete erfreut ihre wohlgeformten Rundungen. Als er näher kam, musste er sich ein Lachen verkneifen, als er sie leise fluchen hörte.
    “Sieht aus, als würden Sie den Kampf verlieren.”
    “Morgan!” Sie setzte sich auf und schlug erschrocken ihre behandschuhte Hand auf die Brust, wobei sie Erde auf den Steinen und ihrem Hemd verteilte. Ihre Wangen waren gerötet von der Anstrengung und der Sonne, und ihr Gesicht glänzte feucht. “Sie hätten mich fast zu Tode erschreckt! Ich habe Sie gar nicht kommen gehört.”
    “Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich bin vom Wald hergekommen und habe Sie bei der Arbeit gesehen. Aber so wie es hier aussieht, bin ich nicht sicher, ob Sie gewinnen.”
    “Das bin ich auch nicht. Diese Wurzeln scheinen bis nach China zu reichen.” Sie zog einen Gartenhandschuh von den Fingern und griff mit der freien Hand nach dem Hut, um sich damit Luft zuzufächern. Sie hatte ihr blondes Haar mit einem Gummiband

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