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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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ist abgebrannt”, erklärte er trocken.
    “Oje, das ist schade.”
    “Mein Vater hat es angesteckt.”
    Sie erschrak. “Oh.”
    “Als Hamlin gestorben war, hat er irgendwie herausgefunden, dass wir auf dem Heimweg von unserer Insel waren, als Hamlin verunglückte. Ich weiß bis heute nicht, warum er das getan hat. Na ja, vielleicht doch. Auf jeden Fall ist er direkt dort hingefahren und hat alles niedergebrannt.”
    Sie saßen eine Weile verlegen schweigend da, und er fragte sich, ob sie das Thema weiterverfolgen würde. Innerlich hoffte er, sie würde es nicht tun.
    “Hamlin scheint ja ein richtig toller älterer Bruder gewesen zu sein.”
    “Oh ja”, bestätigte Morgan eifrig. “Das war er.” Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht, als ihm einfiel, wie sein Bruder ihm beigebracht hatte, mit einem Hammer umzugehen. “Hamlin war ungeheuer geschickt. Und er hat mir alles beigebracht, was er wusste.”
    “Hamlin war ein ganzes Stück älter als du, oder?”
    Morgan nickte. “Zehn Jahre. ‘Ein Jahrzehnt’, sagte er immer, weil es ihm dann noch länger vorkam. Er war gern der Ältere. Ich glaube, er mochte das Gefühl, gebraucht zu werden. Nicht, dass das nicht auch so gewesen wäre. Hamlin war immer der Anführer, egal worum es ging. Und er bestimmte die Regeln.”
    “Und Nan und du habt ihm immer gehorcht?”
    “Ja, klar. Nicht, weil wir es mussten, sondern weil wir es wollten. Es hat einfach so viel Spaß gemacht mit ihm. Er konnte mit allem umgehen, wusste, wie man viele Herausforderungen anging – und wenn nicht, hat er es trotzdem versucht.”
    “Und du? Ich meine, hast du auch alles ausprobiert?”
    “Ich? Nein. Ich bin eher vorsichtig.”
    “Da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe Geschichten aus Montana gehört. Wie du dich zwischen Bisons und Jäger gestellt hast. Das hört sich nicht gerade nach Vorsicht an.”
    “Ach, das”, sagte er wegwerfend. “Das war nicht gefährlich, wenn man sich mit Bisons auskennt. Man muss nur auf ihre Schwänze achten. Wenn sie sie hochheben, werden sie im nächsten Moment entweder etwas fallen lassen oder sie gehen auf dich los. Da muss man dann auf jeden Fall auf der Hut sein.”
    Sie lachte, und das gefiel ihm. Es war ein offenes herzhaftes Lachen, und es kümmerte sie nicht, ob sich jemand irritiert umsah oder sie zurechtwies. Er musste ebenfalls lachen.
    “Stimmt was nicht?” fragte sie, weil sie spürte, dass sich etwas bei ihm geändert hatte.
    “Nein. Eher im Gegenteil. Ich dachte gerade, dass es mal eine Abwechslung ist zu lachen, wenn ich von Ham erzähle.”
    Sie lächelte erleichtert. “Das freut mich. Und es hört sich so an, als hättest du mit deinem großen Bruder zusammen tolle Sachen erlebt.”
    “Das ist wahr”, antwortete er, und sofort strömten Erinnerungen an seinen Bruder auf ihn ein, fröhliche Erinnerungen an lachende Gesichter. Hamlin, der die Takelage des kleinen Segelbootes befestigte und gegen den Wind anlachte. Oder am Steuer von Mighty Moe, als sie mit ihren Cousins zu ihrer Insel hinausfuhren. Wie sie Nans Zöpfe in Farbe tauchten, während sie schlief. Ham beim Fischen, wie sich sein gebräunter Körper graziös wie ein Tänzer vorbeugte, entspannt und doch voller Konzentration, und er das Fischernetz auswarf. Oder wie er im Boot Vollgas gab, in den Augen ein herausforderndes Blitzen, als sie losdonnerten und hart aufs Wasser prallten und, obwohl es wehtat, noch lachten.
    “Ich habe lange nicht an ihn gedacht. Jedenfalls nicht an die schönen Zeiten mit ihm.”
    “Vielleicht solltest du das aber.”
    Morgan beendete die Unterhaltung, indem er aufstand. Von seiner Eiswaffel floss das Eis – während er geredet hatte, hatte er gar nicht bemerkt, wie es geschmolzen war. Er hielt die Waffel weit von sich und reichte Kristina seine freie Hand.
    “Hast du deins schon aufgegessen?”, fragte er.
    Sie gab ihm den leeren Becher, und Morgan lief zu einem kleinen Metallmülleimer und warf alles hinein. Er wischte sich mit einer kleinen Serviette aus der Eisdiele die Hände sauber.
    Das gab ihm etwas Zeit zum Nachdenken. Er musste zugeben, dass es gar nicht so schlimm gewesen war, über seinen Bruder zu sprechen. Nach Hamlins Tod hatte er sich verschlossen. Er hatte sich geweigert, zu Hamlins Beerdigung zu gehen. Er schlief nicht mehr, aß nichts, konnte den Namen seines Bruders nicht einmal aussprechen. Seine Eltern hatten es für einen Schock gehalten und wollten ihm Zeit geben – doch es war noch etwas

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