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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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unternehmen. Sie arbeitet so hart und hat noch gar nichts von der Gegend gesehen. Geh doch mal mit ihr ins Kino. Das könntest du ruhig mal machen.”
    “Meinst du?” Er streckte die Beine aus und legte sie übereinander. “Vielleicht mach ich das mal.”
    Sie unterdrückte ein Lächeln und griff zum Radio, um es wieder einzuschalten. Zu ihrer Überraschung hatten die Cubs aufgeholt. Der Moderator sprach aufgeregt, und im Hintergrund waren die begeisterten Fans zu hören. Nona grinste beglückt, und ihr Blut geriet in Wallung. Doch tief im Herzen wusste sie, dass ihre Aufregung nicht daher rührte, dass die Cubs Boden wettgemacht hatten.
    Es war schon spät, doch der Sommerhimmel war noch immer tiefblau. Morgan stand vor dem Palmetto Grande und schaute auf die scharfen senkrechten Linien der Jugendstilfassade des Kinos. Der gesamte Bau war für ihn so unvereinbar mit dem Lowcountry wie die riesigen Neonlampen mit dem nachtblauen Himmel. Das alte Kino beherrschte den Platz mit seinen vielen schicken Läden und gepflegten Gehwegen, auf denen frisch gepflanzte Palmen und Blumen in der Abendbrise wogten. Teure Autos fuhren heran, um Kinobesucher abzuholen oder zu bringen, und weiter hinten bildeten die Autos eine Schlange und warteten auf freie Plätze im Parkhaus.
    Mit seinen alten Jeans und dem verwaschenen T-Shirt fühlte sich Morgan fehl am Platz zwischen all den jungen Leuten in ihren schicken Sommersachen. Teenager zeigten jede Menge Haut und gackerten miteinander wie exotische Vögel, und dezent gekleidete ältere Paare flanierten gemütlich vorbei. Manche aßen Eis, andere tranken Kaffee oder Wein in einem Straßencafé, wieder andere standen für Karten an. Die meisten waren Touristen, und er hörte die Akzente von Staaten des Nordens und des Westens. Er konnte sich an Zeiten erinnern, als der einzige fremdartige Tonfall das kreolische Gullah mit seiner geheimnisvollen Melodie gewesen war.
    Gleich hinter dem Kino konnte eine neue Straße mit einem Metallgeländer die wilde Landschaft des Marschlandes kaum im Zaum halten. Dünne, überwachsene Weihrauchkiefern markierten die gezackte Grenze, und darunter kämpften Stechpalmen, Wachsmyrte und Magnolienbäume um die besten Plätze am Sonnenlicht. Die Eidechsen, Schlangen und wenigen Vögel, die es hier noch gab, mussten um jeden Zentimeter Lebensraum hart kämpfen.
    Ich war zu lange fort, überlegte er. Während er weit im Westen die Einsamkeit gefunden hatte, hatte er nicht mitbekommen, wie sich seine Heimat immer mehr verändert hatte. Er hatte gedacht, das Lowcountry mit seiner Behäbigkeit und Ursprünglichkeit würde sich nie ändern. Doch da hatte er sich getäuscht.
    In diesem Moment wurde Morgan mit aller Deutlichkeit bewusst, was sein Vater in all den Jahren versucht hatte: Sweetgrass zu erhalten war mehr, als nur einen Familienbesitz zu retten – diese paar hundert Hektar zwischen Autobahn und Sumpfland waren eine grüne Oase in dieser Zivilisationswüste.
    Kristina tauchte hinter ihm auf und fingerte an seinem Kragen herum.
    “Das Etikett hat herausgeschaut”, erklärte sie. “Guter Film, oder?”
    Er drehte sich um und blinzelte sie an, mit fragender Miene, weil er abrupt aus seinen Gedanken gerissen worden war. “Äh, ja. War ganz gut.”
    “Du scheinst Millionen Meilen weit weg zu sein.”
    “Eher Millionen Jahre.”
    “Woran hast du gedacht?”
    Er zuckte die Schultern, weil er seine Eindrücke nicht recht in Worte kleiden konnte. “Ich kann nicht fassen, wie sehr sich die Gegend hier verändert hat”, murmelte er schließlich. “Ich erkenne sie kaum wieder.”
    “Ach so? Inwiefern? Es sieht doch aus wie jedes andere protzige Einkaufscenter.”
    “Das meine ich nicht. Als ich noch hier gelebt habe, gab es kein Kino, und schon gar kein Multiplex-Kino mit einem Dutzend Sälen. Es gab kein Einkaufszentrum. Fürs Kino sind wir in die Stadt gefahren. Hier waren einmal Felder voller Sweetgrass. Schau dich um. Nicht ein Halm Sweetgrass ist hier mehr zu finden. Aber ich habe gesehen, dass sie das nicht davon abgehalten hat, das Ganze ‘Sweetgrass Center’ zu nennen.”
    “Trotzdem haben sie es doch ganz gut hingekriegt”, entgegnete Kristina. “Es ist nett hier, und man ist draußen, nicht in so einer klimatisierten Einkaufspassage. Und immerhin wächst in den Blumenkästen Sweetgrass. Das ist doch was.”
    “Wahrscheinlich”, gab er zu, und die Spannung in seiner Brust löste sich ein bisschen. Er mochte es, wie sie allem immer noch

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