Symphonie der Herzen
Oxford dieses Jahr gewinnen wird?«
»Ich weiß, dass Oxford dieses Jahr gewinnt. Cambridge hat überhaupt keine Chance gegen uns.«
Es muss herrlich sein, solch ein Selbstbewusstsein zu besitzen, sinnierte Lu verlegen. An Abercorn gewandt schimpfte sie jedoch: »Ihr arroganter Teufel!«
»Darauf dürft Ihr wetten.«
Im Inneren des Theaters zogen Louisa und James diesmal einen Platz in der Familienloge der Russells vor. Kaum dass der Vorhang sich hob und der Chor die Bühne betrat, begann Louisa auch schon leise zu summen und sang - nachdem sie James schon bald vergessen hatte - schließlich Lied für Lied einfach mit.
Abercorn lächelte derweil siegessicher, glaubte er doch bereits, dass Lu der kleinen Überraschung, die er für sie vorbereitet hatte, gewiss nicht widerstehen könnte.
Als die Pause begann, applaudierte Lu wieder einmal wie verrückt und lachte: »Ich genieße das Stück jedes Mal mehr.« Neugierig beugte sie sich über die gepolsterte Brüstung, um das Publikum zu betrachten. Für sie war am Theater einfach alles faszinierend.
Als das Licht wieder erlosch und abermals der Chor vortrat, neigte Lu sich mit wissendem Lächeln zu Abercorn hinüber und flüsterte: »Da ist wieder Eure rothaarige Freundin.«
Ernst erwiderte er ihren Blick, sagte jedoch nichts. »Was meint Ihr«, raunte er schließlich, »könntet Ihr, wenn Ihr plötzlich dort unten auf der Bühne ständet, ihre Rolle übernehmen?«
»Aber natürlich könnte ich das!« Stolz warf sie den Kopf in den Nacken. »Und ich sage Euch noch etwas: Ich wäre sogar besser als diese Kitty!«
Verschwörerisch beugte James sich zu ihr hinüber. »Darauf würde ich wetten.«
Um Louisas Mundwinkel herum zuckte es zwar verräterisch, doch sie weigerte sich, James anzusehen, und konzentrierte sich stattdessen lieber wieder ganz auf das Stück. Als das Musical schließlich endete, sprang sie von ihrem Platz auf und applaudierte begeistert, ehe sie leise seufzte: »Vielen Dank, dass Ihr mich hierher begleitet habt. Das war wirklich ... ziemlich nett von Euch.«
»Vielleicht. Denn wenn ich ehrlich sein soll, so hatte ich dabei natürlich auch so meine Hintergedanken.«
Louisa verstummte. Hab ich’s mir doch gedacht! Er ist nur mit mir hierhergekommen, um sich danach mit dieser Kitty zu treffen.
»Ihr erinnert Euch doch noch daran, dass ich Euch versprochen hatte, Eure kühnsten Träume wahr werden zu lassen, nicht wahr? Was würdet Ihr also dazu sagen, wenn ich es arrangieren könnte, dass Ihr für eine Vorstellung hier in diesem Stück mitspielen dürftet? Wie gesagt: nur für einen Abend.«
»Das geht doch nicht«, wies Lu seinen Vorschlag barsch ab. »Meine Eltern würden niemals erlauben, dass ich hier auf der Bühne stehe.«
»Sie bräuchten es ja nicht zu erfahren. Es gäbe keinerlei Mitwisser - nur Euch und mich. Denn wenn Ihr Eure rote Perücke aufsetzt, hält Euch doch jeder für Kitty Kelly. Garantiert.«
Louisa atmete einmal tief durch, während sie langsam realisierte, was James ihr da gerade angeboten hatte. Dann aber wurde sie sofort wieder misstrauisch. »Und was wollt Ihr dafür haben?«
Eindringlich schaute James ihr in die Augen. »Welchen Preis wärt Ihr denn bereit zu bezahlen?«
Eine ganze Minute lang dachte Lu über diese Frage nach, und je länger sie zögerte, desto näher war sie daran, der Versuchung zu erliegen; ihre Angst trat immer mehr in den Hintergrund. Dann aber erahnte sie mit einem Mal, was Abercorn wohl als Gegenleistung verlangen würde, und entgegnete schließlich mit emporgerecktem Kinn: »Meine Antwort lautet Nein.«
Als die Kutsche vor dem Belgrave Square vorfuhr, kam überraschend Charles aus dem Haus gestürmt und konnte es offenkundig kaum erwarten, mit seinem Freund zu sprechen. Fröhlich fuchtelte er mit einem Blatt Papier durch die Luft. »Die Bestätigung ist eingetroffen! Ich gehöre jetzt ganz offiziell zur Königlichen Leibgarde, genauer gesagt zur Königlichen Kavallerie - als Oberleutnant.«
»Herzlichen Glückwunsch, Charles«, lachte Abercorn mit einem Seitenblick auf Louisa. »Dann haben sich ja damit deine kühnsten Träume erfüllt.«
Natürlich hatte er diese Worte ganz bewusst gewählt, wie auch Lu keineswegs entging. Und offensichtlich wollte er ihr damit sagen, dass man seine Träume durchaus verwirklichen könnte, wenn man sein Ziel nur hartnäckig genug im Auge behielt. Nachdenklich schaute sie James einen Moment lang an, dann trat sie lächelnd auf ihren Bruder zu. »Auch
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