Symphonie der Herzen
verflogen, als nämlich die anderen Damen herandrängten und mit lauten »Ohs« und »Ahs« die kostbaren Stücke bewunderten.
Bessy hingegen machte mit einem Mal auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Salon. Widerwillig folgte William ihr, spürte er doch schon, dass in Kürze einer von Elizabeths berüchtigten Wutausbrüchen folgen würde.
»Bessy!«, rief er ihr nach, wohl wissend, dass sie sich weder umdrehen noch auf ihn warten würde. Stattdessen stürmte sie wie blind vor Zorn weiter in Richtung jener kleinen Suite im Ostflügel, die man ihnen für ihre Zeit in Woburn Abbey zugewiesen hatte. Kaum dass William seine Frau eingeholt und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte sie sich mit weidwundem Blick zu ihm um und starrte ihn wortlos an.
»Wie konnte sie es nur wagen?«, zischte sie und trommelte mit den Fäusten gegen Williams Brust. »Die Diamantkollektion ist doch Teil des Russellschen Familienerbes. Sie hat ganz einfach nicht das Recht, ihren verdorbenen Töchtern schon jetzt diese Diamanten zu schenken. Die Russell-Kollektion ist von unschätzbarem Wert, so etwas zerteilt man nicht.« Sie schluckte einmal. »Ich verlange, dass du auf der Stelle zu deinem Vater gehst und ihm mitteilst, dass wir gegen diese Schenkung protestieren - dass wir sogar ganz entschieden dagegen sind! Es ist doch nicht zu fassen, mit welcher Dreistigkeit diese Frau zu Werke geht.«
Plötzlich klopfte es an der Tür; überrascht hielt Elizabeth in ihrer Tirade inne.
William öffnete die Tür und ließ seinen Bruder Johnny ein.
»Diese Frau, wie Ihr sie zu nennen beliebt«, entgegnete Letzterer mit ruhiger, beherrscht klingender Stimme, »ist keine Geringere als die Herzogin von Bedford.«
Wutschnaubend wandte Bessy sich von ihm ab und marschierte einmal quer durch das gesamte Zimmer, um dann energischen Schrittes kehrtzumachen und sich mit blitzenden Augen vor Lord John aufzubauen: »Ja, in der Tat, das ist sie! Und ich kann Euch gar nicht sagen, wie leid uns das tut. Und dennoch gibt ihr das noch lange nicht das Recht, einfach so mir nichts, dir nichts die Russell-Diamanten zu verschenken.«
»Oh, und ob sie dieses Recht hat«, widersprach Johnny kühl. »Die Diamanten gehören nämlich ihr. Mein Vater hat sie ihr damals zur Hochzeit geschenkt.«
»Aber das zählt doch nicht. Ihr wisst doch selbst, dass sie ihn geradewegs um den kleinen Finger gewickelt hat. Sie hat ihn verhext. Mehr sogar noch: Sie ist die extravaganteste Frau, die England je gesehen hat. Sie führt sich auf, als sei sie die Königin und -«
»So, jetzt reichts!«, unterbrach Lord John sie kurzerhand. »Mehr will ich davon nicht hören. Vor allem gebe ich Euch beiden jetzt mal einen guten Rat: Hütet Euch davor, Euch Georgina zur Feindin zu machen. Denn Vater liebt sie noch immer sehr, und wenn sie will, könnte sie ihn sogar dazu bringen, sein Testament noch einmal ganz neu aufzusetzen. Er könnte seine Söhne aus erster Ehe beispielsweise komplett enterben und alles Georginas Kindern vermachen.«
»Da hat er leider recht, Bessy«, stimmte William seinem Bruder leise zu. »Du musst endlich damit aufhören, sie ständig anzugreifen.«
»Aber William, ich bitte dich, was redest du denn da?«, fauchte Bessy ihn voller Verachtung an. »Du hast wirklich nicht das kleinste bisschen Mumm in den Knochen. Dir fehlt der Mut, für deine Überzeugungen einzustehen. Warum, zur Hölle noch mal, beschützt du sie?«
»Weil«, stammelte William voller Verzweiflung, »weil Georgina unseren Vater von jeher liebte und respektierte - beides Dinge, die in der Ehe mit unserer leiblichen Mutter offenbar fehlten. Sie hat ihn von Anfang an unterstützt, wo sie nur konnte. Und auch mich hat sie ohne Wenn und Aber angenommen, als ob ich ihr eigener Sohn wäre. Ich weiß, sie kann manchmal sehr exzentrisch sein, und auch aus ihrer Meinung über andere Leute macht sie nur selten einen Hehl. Dafür aber ist sie der großzügigste Mensch, dem ich je begegnet bin, und das wiegt meines Erachtens alle ihre Fehler wieder auf.«
Er schwieg einen Moment, dann fügte er leise hinzu: »Ich denke, die anderen werden uns langsam vermissen. Besser, wir gehen wieder in den Ballsaal zurück.«
»Nein. Ich weigere mich, dem Schrein der Heiligen Georgina und ihrer beiden verdammten Töchter noch weiter zu huldigen. Du kannst ja von mir aus zurückkehren und weiterhin vor ihr den Kotau machen. Ich dagegen bleibe lieber hier. Gute Nacht, meine Herren.«
William wusste weder ein noch
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