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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Einkaufstüte. Darin befanden sich mindestens zwei pelzige Paddington-Bären mit ihren typischen gelben Hüten. Sein Blick wanderte zurück zu der Karte. VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM. BÜRO DES GENERALINSPEKTEURS. DEFENSE CRIMINAL INVESTIGATIVE SERVICE. »DCIS«, sagte sie, wobei sie die einzelnen Buchstaben der Abkürzung getrennt aussprach, und wiederholte dann noch einmal: »Di Sis«, mit Betonung auf dem ersten Buchstaben.
    »Sie haben mich fotografiert«, sagte Milgrim.
    »Ja. Ich muss mit Ihnen reden, Mr. Milgrim. Gibt es hier irgendwo einen Ort, wo wir ungestört sind?«
    »Mein Zimmer ist sehr klein«, entgegnete er. Was der Wahrheit entsprach. Als er das sagte, wurde ihm jedoch bewusst, dass es in seinem Zimmer absolut nichts gab, was er vor ihr geheim halten müsste. »Die Selbstbedienungsbar«, sagte er. »Hier die Treppe rauf.«
    »Danke«, sagte sie und bedeutete ihm mit der Waterstone-Tüte, dass er vorausgehen sollte.
    »Warten Sie schon lange?«, fragte er, während er die Treppe hinaufstieg. Seine Stimme klang wie die eines Roboters.
    »Über eine Stunde, aber ich habe in der Zwischenzeit ein bisschen mit meinen Kindern getwittert«, sagte sie.
    Milgrim hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Er hatte sich die Selbstbedienungsbar noch nie genauer angeschaut, deshalb war er sich nicht sicher, wie groß sie war. Der Raum, den sie jetzt betraten, erinnerte an eines dieser lehrreichen Displays in einem Ralph-Lauren- Flagshipstore, in denen gezeigt wurde, wie ein semimythischer Teil der Bevölkerung früher gelebt hatte. Allerdings war das Thema hier auf die Spitze getrieben, hatte Metastasen gebildet und war zu etwas gänzlich anderem geworden - etwas, das auf unheimliche Weise hyperlebensecht wirkte.
    »Wow«, sagte sie anerkennend, während er noch einmal einen Blick auf ihre Karte warf, in der Hoffnung, dass auch sie vielleicht zu etwas anderem geworden war. »Wie das Ritz-Carlton auf Steroiden. Aber irgendwie auch ganz schön winzig.« Sie stellte ihre Tüte mit den Paddingtons vorsichtig auf einem Lederfußkissen ab.
    »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte Milgrim mit roboterhaft ausdrucksloser Stimme. Er sah erneut auf die schreckliche Karte hinab und steckte sie dann in die Brusttasche seiner Jacke.
    »Gibt es hier Bier?«
    »Bestimmt.« Nach einigem Suchen entdeckte er einen Einbaukühlschrank, dessen Tür mit rötlichem Mahagoniholz getäfelt war. »Was hätten Sie denn gern?«
    Sie blickte in das kalte, mattsilberne Innere des Kühlschranks. »Die Sorten kenne ich nicht.«
    »Nehmen Sie doch ein Becks«, schlug er vor. »Das ist nicht dasselbe wie in Amerika.«
    »Und Sie?«
    »Ich trinke keinen Alkohol«, sagte er, reichte ihr eine Flasche Beck's und nahm sich selbst irgendeinen Softdrink in der Dose. Sie öffnete das Bier mit einem silbernen Gegenstand, der einen dicken Hirschhorngriff hatte, und nahm einen Schluck direkt aus der Flasche.
    »Warum haben Sie mich fotografiert?«, fragte Milgrim. Überraschenderweise hatte seine Stimme gar nichts Roboterhaftes mehr an sich. Stattdessen klang er wie ein vollkommen anderer Mensch, einer, den man auf jeden Fall sofort festnehmen sollte.
    »Das ist so eine Macke von mir«, sagte sie.
    Milgrim blinzelte.
    »Ich sammle Dinge«, sagte sie. »Das Meiste in Ziehharmonikaordnern. Zettel. Fotos. Manchmal hänge ich sie in meinem Büro an die Wand. Ich habe ein Fahndungsfoto von Ihnen, das geschossen wurde, als Sie 1997 in New York wegen Drogenbesitz festgenommen wurden.«
    »Damals wurde keine Anklage erhoben«, sagte Milgrim.
    »Nein«, stimmte sie zu. Sie nahm einen Schluck aus der Flasche. »Und ich habe eine Kopie Ihres Passfotos, das natürlich deutlich aktueller ist. Aber als ich Ihnen heute Morgen gefolgt bin, habe ich beschlossen, dass ich am Nachmittag mit Ihnen sprechen will. Deshalb wollte ich vorher ein Foto von Ihnen machen. Das mit den Fotos ist tatsächlich so ein Fimmel von mir. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob zuerst der Gedanke da war, am Nachmittag mit Ihnen zu reden, oder ob ich Sie einfach fotografiert habe, was dann wiederum bedeutete, dass ich am Nachmittag mit Ihnen reden würde.« Sie lächelte. »Möchten Sie gar nichts trinken?«
    Milgrim blickte auf die kleine Dose hinab, öffnete den Deckel und goss eine gelbliche, sprudelnde Flüssigkeit in ein Highball-Glas.
    »Setzen wir uns doch«, sagte sie und ließ sich auf einem ledernen Clubsessel nieder. Milgrim nahm in dem Sessel ihr gegenüber Platz. »Was habe ich

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